Erinnerungen an die Riga-Deportationen vor 80 Jahren – hochaktuell angesichts des Angriffskrieges gegen die Ukraine

Traumatische Okkupationserfahrungen, „Nie wieder!“ Nie wieder? Historische + Friedensverantwortung heute …

Erinnerung an die Riga-Deportationen vor 80 Jahren – hochaktuell angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine

Winfried Nachtwei[1] (15. Mai 2022)

Spurensuche und Erinnerungsarbeit: Im Sommer 1989 waren meine Frau Angela und ich im noch sowjetischen Riga auf die Spuren der deutschen Okkupation 1941 bis 1944, insbesondere des Ghettos, von Lagern und Massengräber gestoßen. Kontakte und Freundschaften entstanden mit Holocaust-Überlebenden in Lettland, Litauen, Deutschland, USA und anderen Ländern. Seitdem berichtete ich in 220 Vorträgen über die Deportationen von 25.000 jüdischen Menschen aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei in das „Reichsjudenghetto“ Riga. Bei den letzten vier Vorträgen seit März in Höxter, Paderborn, Billerbeck und Minden zum sog. „Bielefelder Transport“ vom Dezember 1941 wurde mir immer deutlicher, wie hochaktuell die Erinnerung an den Judenmord in Lettland und Osteuropa mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geworden ist.

Traumatische Okkupationserfahrungen: Denn in dem Vortrag kommen die traumatischen Erfahrungen osteuropäischer Völker mit wechselnden Okkupationen durch die Sowjetunion ab 1940, Nazi-Deutschland an 1941 und erneut die Sowjetunion ab 1944 zur Sprache. Diese prägen bis heute das das kollektive Gedächtnis, das sicherheitspolitische Interesse und den nationalen Selbstbehauptungswillen dieser Länder: Nie mehr wehrlos, nie mehr allein sein!

In Umsetzung des Hitler-Stalin-Paktes besetzte die stalinistische Sowjetunion im Juni 1940 die baltischen Staaten. Der Zwangssowjetisierung folgten im Juni 1941 Massendeportationen in die Lager des Gulag und Massenmorde der sowjetischen Geheimpolizei in den Gefängnissen. In der Ukraine bewirkte Anfang der 30er Jahre die sowjetische Zwangskollektivierung eine Hungersnot mit rund vier Millionen Todesopfern (Holodomor).

Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion ab 22. Juni 1941 wurden die baltischen Staaten, Weißrussland, die Ukraine und Russland von den mobilen Mordkommandos der Einsatzgruppen von Sicherheitspolizei und SD, von Polizeibataillonen und einheimischen  Helfershelfern heimgesucht. Dem „Holocaust durch Kugeln“ fielen auf dem Gebiet der Sowjetunion mindestens 1,3 Millionen Menschen zum Opfer.

Ein besonders erfahrener Massenmord-Organisator war der SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln. Als Höherer SS- und Polizeiführer Russland Süd  war er Ende August 1941 verantwortlich für die Erschießung von 23.600 Juden in Kamenez-Podolski und Ende September für die Erschießung von 33.771 jüdischen Menschen in Babi Jar bei Kiew. Nach seiner Versetzung nach Riga war Jeckeln der verantwortliche Organisator der Vernichtung der Rigaer Juden: Am 30. November und 8. Dezember wurden im Wäldchen von Rumbula bei Riga rund 25.000 einheimische Juden erschossen – um „Platz zu schaffen“ für die angekündigten Deportationszüge aus dem „Großdeutschen Reich“

Diese Phase des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion auf dem Boden der baltischen Staaten, von Belarus, der Ukraine und Russland war bis in die 1990er Jahre in der Bundesrepublik weitestgehend vergessen und verdrängt. Bis heute ist der „Holocaust durch Kugeln“ hierzulande nur wenig bekannt. (vgl. Redeauszug von Bundespräsident Steinmeier im Anhang und: Franziska Davies/Katja Makhotina, Offene Wunden Europas „über die Leerstellen der Erinnerung an den NS-Krieg im Osten“ – Robert Probst SZ 9.5.2022 )

Das Deutsche Riga Komitees mit seinen inzwischen 65 Mitgliedsstädten fördert, koordiniert vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, seit 21 Jahren von unten die Erinnerung an die früheren jüdischen Nachbarn von nebenan, die an den Tatorten des deutschen Vernichtungskrieges im besetzten Riga durch Hunger, Zwangsarbeit, Kugeln ermordet wurden.

Alliierter Sieg, Kriegsende  und Befreiung: Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland, besiegt von den Armeen der Anti-Hitler-Koalition nach gigantischen Opfern. Allein die an der Eroberung Berlins beteiligte 1. Ukrainische Front verlor dabei 78.000 Soldaten.

Der Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht, der Einsatzgruppen und Polizeibataillone verkörperte eine völkermörderische Energie und Professionalität, die jeden zivilen Protest, geschweige Widerstand liquidierte und die nur militärisch gestoppt werden konnte. Für die Selbstbehauptung Großbritanniens und die erfolgreichen Gegenoffensiven der Roten Armee waren die Waffen- und Hilfslieferungen der USA nach dem Leih- und Pacht-Gesetz der USA vom März 1941 von ausschlaggebender Bedeutung. (An Großbritannien gingen Güter im Wert von 31,4 Mrd. US-$, an die Sowjetunion für über 11 Mrd. US-$.; https://taz.de/US-Programm-fuer-Waffenlieferungen/!5854030/ )

Befreit wurden Europa und Deutschland vom NS-Staatsterrorismus nicht durch Verhandlungen und einen Kompromiss, sondern durch einen militärischen Sieg, der den Weltkrieg in Europa beendete und Voraussetzungen für Frieden zumindest in Westeuropa schuf.

NIE WIEDER! 49 Tage später unterzeichneten 50 Gründerstaaten die Charta der Vereinten Nationen als DIE zentralen Schlussfolgerungen für die internationale Ordnung aus Weltkrieg und Völkermord:

  • Überwindung der Geißel des Krieges und internationales Gewaltverbot,
  • friedlicher Interessenausgleich und Streitbeilegung,
  • gemeinsames – ggfs. auch gewaltsames – Vorgehen gegen Friedensstörer,
  • Recht der nationalen Selbstverteidigung und des Beistandes für Angegriffene.

Die UN-Charta blieb nicht bei dem allgemeinen Gelöbnis „Nie wieder!“ stehen, sondern konkretisiert die Grunderfahrungen der von Nazi-Deutschland Angegriffenen: „Nie mehr wehrlos, nie mehr allein!“ Die UN-Charta bildet das normative Fundament für ein friedliches Zusammenleben der Staaten und die Verhütung von Kriegen weltweit. Nach der Erfahrung mit dem historisch beispiellosen deutschen Angriffskrieges gegen die europäischen Nachbarn war sie selbstverständlich kein pazifistisches Dokument.

(Hellsichtige Diplomaten wie der britische Botschafter Horace Rumbold (1928-1933 in Berlin), US-Botschafter William E. Dodd (1933-1937 in Berlin). James McDonald, Hochkommissar des Völkerbundes  „für Flüchtlinge (jüdische und andere) aus Deutschland“ (1933-bis 1935) u.a. hatten in den frühen 1930er Jahren eindringlich vor einem kriegerischen Expansionismus Hitlers gewarnt, waren aber angesichts des in ihren Ländern vorherrschenden friedenspolitischen Wunschdenkens ohne Gehör geblieben. Vgl. Tim Bouverie, Mit Hitler reden, Hamburg 2021)

Bruch mit der 77-jährigen UN-Friedensordnung: Am 25. Februar 2022, dem zweiten Tag des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, telefonierte ich mit dem 96-jährigen Margers Vestermanis in Riga. Er überlebte als einziger seiner Familie Ghetto und KZ und erlebte als Partisan in Kurland am 9. Mai 1945 seine Befreiung durch die Rote Armee. Seit den 90er Jahren baute er in Riga das Museum „Jews in Latvia“ auf, zzt. arbeitet er an einem Werk über die „Judenretter“ im deutsch-besetzten Lettland.  Zutiefst bestürzt erinnerte ihn der russische Angriff an den 1. September 1939, den Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen – den Überfall eines großen Nachbarn auf den kleineren.

Der von Präsident Putin befohlene Angriffskrieg bricht mit dem Aggressionsverbot als  der Grundnorm des Völkerrechts und damit dem Eckpfeiler der globalen und europäischen Friedensordnung. Dem Nachbarland spricht er das nationale Existenzrecht ab. Seine offen benannten revisionistischen und imperialistischen Kriegsziele belegen, dass es bei diesem Angriff nicht „nur“ um die Ukraine, sondern um die Wiederherstellung eines großrussischen Imperiums geht – und die Ausmerzung jedes demokratischen Aufbruchs. Vollstreckt von einer atomaren Weltmacht und einer UN-Vetomacht hat dieser Angriff ein besonders zerstörerisches Potenzial. Der Angreifer kann im UN-Sicherheitsrat kollektive Maßnahmen der UN-Friedenssicherung blockieren und internationalen Beistand für die ukrainische Regierung und Bevölkerung behindern, ja durch Drohung mit Atomwaffen abschrecken.

Indem Präsident Putin die demokratische ukrainische Regierung als neonazistischen Feind verunglimpft und damit zum Abschuss freigibt, missbraucht er die Erinnerung an den Nazi-Terror für seine Kriegspropaganda. Damit zerbricht der internationale Erinnerungskonsens zu Weltkrieg und Völkermord, der für die europäische Friedensordnung grundlegend war.

Stefan Reinecke in der taz 11.05.2022 ( https://taz.de/9-Mai-Erinnerungskultur-in-Russland/!5850435/ )

„In Putins Russland ist „Antifaschismus“ zum Teil einer orwellschen Gehirnwäsche geworden, eines monströsen Lügengebäudes, womit das Regime neben nackter Repression das Volk bei der Stange hält.

Kritik am Hitler-Stalin-Pakt 1939 ist tabuisiert. Krieg heißt jetzt militärische Spezialoperation. Hitler war Jude. Und „Nazi“ ist zu einer beliebig verwendbaren Metapher für alles Kritische, Demokratieverdächtige geworden. (…)

Unter Putin dienst die roh umgeformte Opfer- und Siegesgeschichte dazu, einen Angriffskrieg zu rechtfertigen.“

Eine Nebenwirkung des Angriffskrieges ist, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge seit Kriegsbeginn seine jahrzehntelange Arbeit der „Versöhnung über den Gräbern“ in der Russischen Föderation und der Ukraine aussetzen musste. Wenige Monate vor den 80. Jahrestagen des Menschenschlachthauses der Schlacht um Stalingrad ist das besonders schmerzlich.

(Vgl. Anstöße zur Erinnerung und zum Nachdenken: Münster, Riga, Stalingrad, München, 2018, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1535 )

Verständnis für die osteuropäischen Völker und ihre historischen Erfahrungen: Im öffentlichen Diskurs in Deutschland um den Ukrainekrieg war viel von „berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands“ gegenüber einer vorrückenden NATO, aber nur selten von berechtigten Sicherheitsinteressen der kleineren osteuropäischen Länder die Rede. Ihre historischen Teilungs- und Okkupationserfahrungen, ihre Bedrohungswahrnehmungen und Sicherheitsbedürfnisse wurden kaum berücksichtigt.

Bei der Spurensuche zur deutschen Okkupation und zum Judenmord in Lettland bekamen wir von Einheimischen immer wieder zu hören, „warum interessiert Ihr Euch nicht dafür, was wir unter sowjetischer Besatzung zu leiden hatten?“ Opfererfahrungen gerieten in Konkurrenz zueinander. Von einer europäischen Erinnerungskultur konnte keine Rede sein.

Es war naheliegend, dass unser Fokus jahrelang fast nur auf den deutschen Massenverbrechen und ihren jüdischen Opfern lag. Erst mit der Zeit nahmen wir auch die Verbrechen der sowjetischen Okkupation wahr und ernst, ohne dabei in Relativierung, gar Gleichsetzungen zu verfallen. Die Spurensuche und Erinnerungsarbeit öffnete sich auch zu den „Leiden der ande-ren“. (Rede zum Volkstrauertag 2010 im Rathaus von Münster „Das Leiden der anderen“, http://nachtwei.de/downloads/rede/20101114_volkstrauertag-ms_rede-nachtwei.pdf )

Nochmals Stefan Reinecke:

„Der Weg ins Offene führt über ein „dialogisches Erinnern“ (Aleida Assmann), in dem die Gewaltgeschichte der anderen nicht als zweitrangig abqualifiziert wird und andere Opfernarrative mit einem Mindestmaß an Empathie betrachtet werden. Dieses dialogische Erinnern ist anstrengend, aber die einzige Möglichkeit, abgekapselte Erinnerungskulturen durchzulüften. Das gilt nach dem Überfall auf die Ukraine mehr als zuvor.“

Historische und Friedensverantwortung: Wer zur Kenntnis nimmt und an sich heranlässt, was der Ukraine unter stalinistischer Herrschaft und deutscher Besatzung an Menschheitsverbrechen angetan wurde,

– wird verstehen, warum die ukrainischen Nachkriegsgenerationen nie mehr wehrlos sein wollen und sich gegen einen Aggressor so sehr und als Volk zur Wehr setzen – erst recht gegenüber einem Putin-Regime, das systematisch das humanitäre Völkerrecht bricht, immer deutlicher einen Vernichtungsfeldzug gegen  ukrainische Zivilbevölkerung führt und Vernichtungsabsichten gegenüber der ukrainischen Nation äußert,

– kann als Nachkomme der deutschen Kriegsgeneration den Nachkommen der Überfallenen am allerwenigsten Überlebenshilfe verweigern.

Dabei sind eine direkte deutsche und NATO-Kriegsbeteiligung wegen unabsehbarer Eskalationsrisiken auszuschließen. Die Ankündigung des US-Verteidigungsministers, Russland soweit schwächen zu wollen, dass es nicht mehr zu Angriffen fähig sein soll, zielt allerdings auf einen strategischen Sieg über Russland, ist brandgefährlich und kontraproduktiv.

Die bisherigen Lieferungen von Panzer- und Luftabwehrwaffen trugen offenkundig entscheidend dazu bei, dass die ukrainischen Streitkräfte einen schnellen Durchmarsch der Angreifer nach Kiew verhindern und diese aus dem Norden zurückdrängen konnten.

Die Ukraine braucht weiterhin essentielle Unterstützung ihrer Selbstverteidigung, um bei anzustrebenden Verhandlungen um Waffenstillstand und Kriegsbeendigung genügend stark zu sein und nicht kapitulieren zu müssen. Um die russischen Truppen auf Positionen vor dem 24. Februar als mögliche Kompromisslinie zurückdrängen zu können, reichen aber leichtere Panzer- und Luftabwehrwaffen nicht, braucht die Ukraine gepanzerte und weiterreichende, also „schwere Waffen“.

Einem angegriffenen Land gegen einen Aggressor beizustehen, ist nicht nur das Recht dritter Staaten, sondern auch ein politisch-moralisches Gebot des Verständnisses von  GEMEINSAMER Sicherheit. Angegriffenen nicht beizustehen, würde dem Angreifer zugutekommen und dem „Recht des Stärkeren“ enormen Auftrieb geben. Neutralität in einem solchen Fall nutzt dem Angreifer.

Seit über zweieinhalb Monaten bombardiert und beschießt die Russische Föderation mit der Ukraine das Völkerrecht insgesamt. Bei der  internationalen Solidarität mit der Ukraine geht es deshalb auch um nicht weniger als die Verteidigung des Völkerrechts generell.

Auszüge aus der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion auf der zentralen Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Volkstrauertag am 14. November 2021 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages:

„(…) Als wir in diesem Jahr an den 80. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion erinnerten, mussten viele von uns sich eingestehen, dass die Orte, die auf dem Vormarsch der deutschen Wehrmacht durch Polen, das Baltikum und Belarus, durch die
Ukraine nach Russland und tief in den Kaukasus lagen, – dass ihnen diese Orte nichts sagten.
Dasselbe gilt für viele Orte deutscher Verbrechen im früheren Jugoslawien und Griechenland, die ebenfalls vor 80 Jahren überfallen wurden. Die meisten von uns kennen auch diese Orte nicht. Wir verbinden kein Geschehen mit ihnen, noch weniger verbinden wir sie mit unserer eigenen, der deutschen Geschichte.
Es ist – zum Glück – anders mit der Erinnerung in Mittel- und Westeuropa. Doch auch diese Orte mussten erst zurückgeholt werden in das deutsche Gedächtnis, oftmals gegen Widerstände und mit Jahren, ja Jahrzehnten Verzögerung: (…)

Unser Gedächtnis aber scheut, wenn es Auskunft über Krieg und Verbrechen im Osten und Südosten Europas geben soll. Es versagt vor den Verbrechen an Zivilisten, Zwangsarbeitern und sowjetischen Kriegsgefangenen, von denen schon in den ersten Monaten nach dem Überfall Hunderttausende ums Leben kamen: verhungert, erschlagen, erschossen.
Es versagt vor den ungezählten Massenverbrechen unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung im damaligen Jugoslawien, in Griechenland und auf Kreta, vor zehntausenden Zivilisten, die deutschen Erschießungskommandos zum Opfer fielen.
Unser Gedächtnis weiß wenig, oft nichts, über Orte wie Malyj Trostenez bei Minsk, wo zwischen 1942 und 1944 zehntausende jüdische Familien ermordet wurden. Ein Name, Auschwitz, ist zum Inbegriff des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden geworden. Doch über eine Karte, die die zahllosen anderen Orte deutscher Verbrechen, jenseits der Vernichtungslager, in Belarus, in der Ukraine, in Russland und andernorts im Osten Europas verzeichnet, über eine solche Karte verfügt unser Gedächtnis nicht.

Und es sollte sie doch kennen, denn hier fände es die Massengräber polnischer, belarusischer, ukrainischer und russischer Jüdinnen und Juden, erschossen im sogenannten „Holocaust durch Kugeln“, namenlos verscharrt, verschwunden unter stummer Erde.

besuchen, und dort als Deutscher gemeinsam mit Nachfahren und Hinterbliebenen zu gedenken. Oder in Paneriai, wo SD, SS und die deutsche Wehrmacht Wilna, das „Jerusalem des Nordens“, vernichteten. Bis Juli 1944 wurden dort 70.000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Juden, aber auch Polen, sowjetische Kriegsgefangene, Roma und litauische Zivilisten. Oder dass wir – vor wenigen Wochen erst – in dem ukrainischen Ort Korjukiwka waren, wo deutsche Truppen innerhalb von zwei Tagen fast 7.000 Männer, Frauen und Kinder auf unvorstellbar brutale Art und Weise ermordeten – und wir, die deutschen Gäste, heute dennoch mit Offenheit, ja mit Herzlichkeit, sogar dem Wunsch nach einer Städtepartnerschaft mit einer deutschen Gemeinde empfangen wurden.
Zahllose andere Orte deutscher Verbrechen aber sind vergessen, wie das belarusische Dörfchen Chatyn, das im Frühjahr 1943 dem Erdboden gleichgemacht wurde – oder das Städtchen Mizocz im Westen der Ukraine, vor dessen Toren die gesamte jüdische Bevölkerung erschossen wurde, an einem einzigen Tag im Oktober 1942. Die Namen dieser Orte zu kennen, macht einen Unterschied – für unser Selbstverständnis als Nation ebenso wie für ein gemeinsames Verständnis als Europäer auf diesem Kontinent. (…)“

Weitere Beiträge

Stellungnahme ZUM RUSSISCHEN ANGRIFFSKRIEG GEGEN DIE UKRAINE, Empfehlungen des Beirats der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung (Mitarbeit in der Schreibgruppe des Beirats), Mai 2022,  https://beirat-zivile-krisenpraevention.org/publikation/stellungnahme-ukraine/

Zum Appell „Nein zum Krieg! Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!“ (22. März) – Wegweisend oder am Thema vorbei? 20.04.2022

– Keine Forderung gegen den Angriffskrieg gegen die Ukraine,  keine Solidarität mit den Angegriffenen: Aufruf zum Ostermarsch 2022 in Münster – ein Offenbarungseid, 17.04.2022,

https://domainhafen.org/2022/04/16/keine-forderung-gegen-den-anfriffskrieg-gegen-die-ukraine-keine-solidaritaet-mit-den-angegriffenen-aufruf-zum-ostermarsch-2022-in-muenster-ein-offenbarungseid/

Zwischen Geschichtsvergessenheit und historischer Verantwortung – Deutscher Vernichtungskrieg in der Ukraine 1941-43 und russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine jetzt, 11.04.2022, https://domainhafen.org/2022/04/10/zwischen-geschichtsvergessenheit-und-historischer-verantwortung-der-deutsche-vernichtungskrieg-in-der-ukraine-1941-43/

– Kommentar zum Aufruf „Die Waffen nieder!“, 06.03. 2022, https://domainhafen.org/2022/03/06/kommentar-zum-aufruf-die-Waffen-nieder/

Waffenlieferungen an die Ukraine: Überlebenshilfe, 26.02.2022, Stellungnahme vor der Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar 2022, https://domainhafen.org/2022/02/27/waffenlieferungen-an-die-angegriffene-ukraine-ueberlebenshilfe/

Rede bei der Kundgebung „Für Frieden und gegen die russische Aggression in der Ukraine“ am 25.02.2022 vor dem Historischen Rathaus in Münster, https://domainhafen.org/2022/02/25/166/

– Nie wieder – nie mehr allein! Perspektiven auf den Vernichtungskrieg. Interview zum 80. Jahrestag des Einmarsches der Wehrmacht in die Sowjetunion, Zeitschrift „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ Juni 2021,  http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=107&aid=1700

– Spurensuche und Erinnerungsarbeit zum Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion im Baltikum, Belarus, Ukraine, Russland: Stationen seit 1988, Mai 2021, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=107&aid=1692

– Malyj Trostenez/Minsk – größte NS-Vernichtungsstätte in der ehemaligen Sowjetunion: Endlich gemeinsame Erinnerung – eine Zäsur. Eröffnung der Gedenkstätte mit drei Präsidenten, Bericht Juli 2018, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1534

Orte der sowjetischen Okkupation Lettlands (KGB-Haus, Bahnhof Tornakalns, Okkupationsmuseum über die drei Okkupationen 1940, 1941, 1944-1991, Museum der lettischen Volksfront), August 2017,

http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1489

– Alle russischen Chemiewaffen vernichtet – Erfolg auch der deutsch-russischen Abrüstungs-zusammenarbeit, 1.10.2017, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1498

Stalingrad vor 70 Jahren, 16. Panzer-Division aus Münster: Speerspitze im Vernichtungskrieg (vor allem auf dem Gebiet der Ukraine), vernichtet in Stalingrad, Januar 2013, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1187

– Reisebericht: Begegnungsfahrt der Friedens-AG von GAL/GRÜNEN Münster nach Minsk/Belarus, August 1988 (19 S.), www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1540 und

– Reisebericht: Als Wahlbeobachter in Odessa: Der neue Mauerfall in der Ukraine,  Januar 2005, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1274

Putin-Freundschaft macht Grüne ratlos, taz 11.9.2004, https://taz.de/Putin-Freundschaft-macht-Gruene-ratlos/!700524/

Kurzbericht Besuch in Georgien und Abchasien, Juni 2004, http://nachtwei.de/berichte/georgien001.htm

Näherkommende Kriege – am 11. Dezember beginnt die russische Armee ihren Angriff auf Tschetschenien, in: Maulwurf Februar 1995

Brief an den Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland zu Tschetschenien, 23.12.1994

– Verbreitung des Offenen Briefes russischer Menschenrechtsorganisationen an ausländische Menschenrechtsorganisationen zu Tschetschenien, 23.12.1994, und des  Offenen Briefs der Gesellschaft Memorial an Bundeskanzler Kohl, 20.12.1994

– Rede zur baltischen Unabhängigkeitsbewegung 1991: Als die Völker des Baltikums gewaltfrei und erfolgreich ihre Unabhängigkeit erkämpften, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=29-124&aid=1533

 

[1] MdB 1994-2009 (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung, im Beirat Innere Führung der Verteidigungsministerin, im Vorstand „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen/DGVN, AG „Gerechter Frieden“ von Justitia et Pax

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