Bericht vom Rückkehrerappell für das letzte deutsche MINUSMA-Kontingent nach 10-jährigem UN-Einsatz in Mali

auf dem Fliegerhorst Wunstorf in Niedersachsen

Bericht vom Rückkehrerappell für das letzte deutsche MINUSMA-Kontingent nach 10-jährigem UN-Einsatz in Mali von Winfried Nachtwei[1] (17.12.2023) (Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Am 15. Dezember 2023 landeten die letzten 142 Einsatzsoldaten und -soldatinnen des deutschen MINUSMA-Kontingents auf dem Fliegerhorst Wunstorf des Lufttransport-geschwaders 62, unter ihnen viele Gebirgsjäger des GebJgBtl 232 aus Bischofswiesen. Damit endete der nach Afghanistan zweite große Bundeswehreinsatz außerhalb Europas und der erste große deutsche Landeinsatz im Rahmen einer UN-Mission. Die Soldatinnen und Soldaten waren Anfang der Woche im malischen Gao gestartet und wurden mit einem Rückkehrer-Appell in der Ju-52-Halle von Verteidigungsminister Boris Pistorius, AA-Staatsminister Tobias Lindner, Generalinspekteur Breuer, dem Befehlshaber des Einsatzführungskommandos Generalleutnant Schütt, vielen Bundestagsabgeordneten insbesondere des Verteidigungsausschusses, Kameraden und vor allem Angehörigen herzlich mit viel Beifall, Dankbarkeit und Erleichterung empfangen.

(NDR-Mitschnitt https://www.ndr.de/fernsehen/Rueckkehrappell-der-Bundeswehr-nach-Mali-Einsatz,mali336.html ; https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/minusma-bundeswehr-2187314 )

Die Erleichterung war besonders begründet. Die rundum unberechenbare politische und Sicherheitslage im bisherigen Einsatzgebiet und die schwachen Transportwege machten die Rückverlegung zu einem besonders riskanten Unternehmen. Dass sie ohne Friktionen gelang und alle wohlbehalten in die Heimat zurückkehrten, war eine herausragende planerische, logistische und Einsatzleistung. Wegen fehlender Bilder und Zwischenfälle wird diese Großleistung in der breiteren Öffentlichkeit aber wahrscheinlich wenig wahrgenommen werden.

„Sie hatten bis zuletzt mit großem Einsatz und unter beträchtlichen Gefahren zu Ende gebracht, was nicht mehr fortzuführen war.“ (Peter Carstens FAZ 16.12.)

Der ursprüngliche Auftrag, die Umsetzung des Abkommens für Frieden und Versöhnung von 2015 zu unterstützen, konnte immer weniger realisiert werden, nachdem die malische Putschisten-Regierung die UN-Mission zunehmend schikaniert, auf Kooperation mit Russland und der Söldnergruppe Wagner gesetzt und die UN zum Abzug ihrer Peacekeeping-Mission aufgefordert hatte. Insgesamt waren mehr als 27.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Mali im Einsatz, drei verloren dort ihr Leben. Die „Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der UN in Mali“ war mit 310 Gefallenen eine der gefährlichsten in der UN-Geschichte. Ihr Abzug ist eine große politische Niederlage für die UN-Friedenssicherung und in den Konsequenzen für die Gewaltkonflikte, die humanitäre Lage und die Arbeit internationaler Hilfswerke in der Region schon jetzt spürbar. ( https://taz.de/UN-Abzug-aus-Mali/!5977078/ ; https://minusma.unmissions.org/discours-du-chef-de-la-minusma-el-ghassim-wane-c%C3%A9r%C3%A9monie-officielle-de-cl%C3%B4ture-de-la-minusma-11 ; https://minusma.unmissions.org/ )

Als die Soldaten und Soldatinnen in geordneter langer Reihe aus den A400M über das Flugfeld gehen, kommt erster Beifall auf. Der Kontingentführer Oberst Heiko Bohnsack meldet das angetretene MINUSMA-Kontingent dem Minister, der sich anschließend mit klaren, ehrlichen und empathischen Worten an die deutschen „Blue Berets“ richtet und ihnen wie ihren Familien besonders herzlich dankt. Er kündigt einen Abschlussappell im größeren Kreis im nächsten Jahr an. Der Minister schließt: „Soldatinnen und Soldaten des deutschen Einsatzkontingents, stillgestanden! Hiermit entbinde ich Sie von dem Auftrag als letztes deutsches Einsatzkontingent MINUSMA! Soldatinnen und Soldaten rührt Euch!“

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Tobias Lindner geht in seinem Grußwort auf die Frage ein, „Wofür der Einsatz?“, wo doch das strategische Ziel der UN-Mission, das Konfliktland Mali zu stabilisieren, nicht erreicht werden konnte. Beide Redner sprechen bewegend zu den Menschen, nüchtern zur Sache und zu Zweifeln.

Ich hatte zwei Tage zuvor von dem Rückkehrer-Appell erfahren und kurzfristig meine Teilnahme regeln können. In Gesprächen am Rande wurde mehrfach die tiefe Besorgnis über die sicherheitspolitische Entwicklung in Mali und seiner Nachbarschaft geäußert. Minister Pistorius stellte in seiner Rede klar, dass die Entwicklung in Westafrika für Deutschland und Europa weiterhin von hohem sicherheitspolitischem Interesse sei und man im Rahmen des integrierten Ansatzes mit angepassten Instrumenten weiter in der Region engagiert bleibe. Insofern geht – trotz aller Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung – die Ära von Internationalem Krisenmanagement keineswegs zu Ende, wie es manche Kommentatoren jetzt verkünden (z.B. „Am Ende einer Ära“, SZ 15.12.2023). Es wird aber seinen level of ambition, seine Zielsetzungen und Einsatzformen erheblich ändern müssen.

Den Mali-Einsatz konnte ich im Unterschied zu den Einsätzen auf dem Balkan, in Afghanistan, in der DR Congo, am Horn von Afrika, vor der Küste des Libanon nicht besuchen, vor Ort erfahren und mit Reiseberichten veranschaulichen. Bei etlichen Gelegenheiten ergaben sich aber Begegnungen mit Frauen und Männern mit militärischer, polizeilicher oder ziviler Mali-Erfahrung. In „Zum Ende des deutschen MINUSMA-Einsatzes in Mali: EINBLICKE AUS DER FERNE“ habe ich Berichte, Schriftwechsel und andere Beiträge zu einem Krisenengagement zusammengestellt. ( https://domainhafen.org/2023/12/17/rueckkehr-des-letzten-dt-minusma-kontingents-nach-10-jahren-un-einsatz-in-mali-einblicke-aus-der-ferne/ )

 

[1] Mitglied im Beirat Innere Führung des Verteidigungsministers (AG Fürsorge, Betreuung + Soziales), im Beirat Zivile Krisenprävention der Bundesregierung, im Präsidium der DGVN, Sachverständiger in der Enquete-Kommission des Bundestages zum deutschen Afghanistaneinsatz, ehem. MdB (1994-2009)

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