Auf Einladung des Verteidigungsausschusses Veteranen bei KFOR-Debatte im Bundestag
Zu 25 Jahren KFOR-Einsatz: DANK + EHRUNG FÜR DIE KFOR-VETERANEN IM BUNDESTAG bei der 2./3. Lesung des neuen KFOR-Mandats, 27. Juni 2024, Winfried Nachtwei (Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )
Auf Einladung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages verfolgten acht KFOR-Veteranen auf der Protokolltribüne die Plenardebatte zum neuen KFOR-Mandat. Als Vizepräsident Wolfgang Kubicki zu Beginn des Tagesordnungspunktes 13 um 17.40 Uhr herzlich die Soldaten des KFOR-Einsatzes auf der Tribüne begrüßte, nahmen die KFOR-Veteranen Haltung an und erhielten von den Abgeordneten stehenden, besonders langanhaltenden und herzlichen Applaus. Der Beifall galt ihnen und ihren rund 85.000 Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr, die seit dem 12. Juni 1999 in insgesamt 65 deutschen KFOR-Kontingenten gedient hatten – und damit einem Einsatz, der erfolgreich den Ausbruch neuer Kriegsgewalt verhinderte und eine Grundstabilität schuf. Es war ein Moment, der tief bewegte und zu Herzen ging. 25 Jahre nach dem KFOR-Einmarsch wurden die deutschen KFOR-Veteranen und ihr erfolgreicher Einsatz zum ersten Mal vom Mitauftraggeber Bundestag in dieser Weise gewürdigt und geehrt.
Gespräch Veteranen und Bundestagsabgeordnete
Vor der KFOR-Debatte hatten die Veteranen die Gelegenheit, den Abgeordneten Marcus Faber (FDP), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, Markus Grübel (CDU/CSU), Marja-Liisa Völlers (SPD), Philip Krämer und Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen), Nils Gründer (FDP) und Dietmar Bartsch (Linke) von ihren Einsatzerfahrungen zu berichten.
Mehrere waren ganz am Anfang dabei:
Ein 59-jähriger Oberstabsfeldwebel und Kampfmittelbeseitiger im ersten Kontingent: Drei Wochen nach dem Einmarsch wurde er bei einem Entschärfungseinsatz auf einem Feld mit Streubombenblindgängern gab es zwei Tote und mehrere Schwerverwundete. Er war einer davon. Die Munition riss ihm das halbe Gesicht weg. Später war er noch viermal im Kosovo im Einsatz. Parallel dazu und zum normalen Dienst hat er mittlerweile über 1600 Tage im BwZk in Koblenz verbracht und durfte 2017, 2018 und 2023 an den Invictus Games teilnehmen. Im Land habe sich sehr viel getan. Seit 25 Jahren stehe er im Kampf um Versorgung bzw. Verbesserung der Versorgung. https://www.bundeswehr.de/de/organisation/heer/menschen-im-heer/versehrte-im-heer/die-versehrung-schaut-jeden-morgen-aus-dem-spiegel-5708018 , https://www.gesichter-des-lebens.de/soldat-meik-briest/
Ein 47-jähriger Stabsfeldwebel, Luftlandepionier, gehörte im Sommer 1999 zu Verstärkungs-kräften für das erste Kontingent. Im Bergland an der albanischen Grenze rettete er seinen Zugführer, der durch eine Mine schwer verwundet war. Dabei trat er selbst auf eine Mine, die ihm den linken Unterschenkel abriss und multiple Einsprengungen im ganzen Körper bewirkte. Er kämpfe ebenfalls seit 25 Jahren um eine bessere Versorgung. Dabei erlebte er, dass bei der Beschreibung einer Prothese „wirtschaftliche Gründe“ maßgeblich waren und nicht das für den Verwundeten bestmögliche Hilfsmittel. (Auch er nahm 2018 und 2023 an den Invictus Games teil.)
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/schwerpunktthemen/veteranen/beitrag/auszeichnung-nach-fast-25-jahren ; https://www.bundeswehr.de/de/organisation/heer/menschen-im-heer/versehrte-im-heer/sport-ist-die-beste-medizin-5712184 ; https://www.gesichter-des-lebens.de/soldat-jens-ruths/
Ein Oberstleutnant d. R., der im Juli 1999 eine Panzergrenadierkompanie führte und für Sonderaufträge wie Waffenabgabe von UCK-Kämpfern und Suche nach mutmaßlichen Kriegsverbrechern eingesetzt wurde. Die Zeit im Kosovo sei spannend und lehrreich gewesen.
Ein Veteran erinnert sich, dass seine Einheit im Jahr 2000 unbewaffnet in das Kosovo gefahren sei.
Ein Oberstleutnant a.D. gehörte 1998 als Militärbeobachter zur OSZE-Mission KVM im Kosovo. Vor Ort habe man ab Dezember 1999 die Eskalation der Gewalt zwischen den Extremisten erlebt. Darauf sei man nicht vorbereitet gewesen. Im März 1999 mussten die Angehörigen der KVM fliehen. Im Juni beim Einmarsch war er als Berater beim Brigadestab dabei, 2006 als Chef einer CIMIC-Kompanie.
Generalleutnant a.D. Roland Kather war von 12/1999 bis 06/2000 Kommandeur der Multinationalen Brigade Süd und Befehlshaber der deutschen Kräfte im Kosovo. KFOR konnte sich nicht mit der Erfüllung des militärischen Auftrages begnügen, sondern musste nach dem Exodus der serbischen Fachkräfte auch die Erledigung öffentlicher Dienstleitungen übernehmen. Ein halbes Jahr sei ihm ein russisches Bataillon unterstellt gewesen. Darauf sei keiner vorbereitet gewesen. Die russischen Fallschirmjäger seien perfekt ausgebildet gewesen, hätten aber nichts gehabt. Die Ausrüstung hätten sie von KFOR bekommen. KFOR habe auch die russischen Kräfte vor Angriffen kosovarischer Extremisten geschützt. Mit CIMIC habe man etwas Wirtschaftstätigkeit gefördert. Langsam sei Vertrauen gewachsen. Als COMKFOR kommandierte er 2006/07 34.000 KFOR-Soldaten. KFOR habe pragmatisch „als Dritter“ für ein Mindestmaß an Ruhe im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens gesorgt.
Die Dankesworte bei der KFOR-Mandatsdebatte am 27. Juni laut Plenarprotokoll unter https://domainhafen.org/2024/06/29/dankesworte-fuer-die-kfor-veteranen-im-bundestag/ (Bei der 1. Lesung des KFOR-Mandats am 5. Juni 2024 hatte MdB Philip Krämer eine öffentlichkeitswirksame Würdigung der KFOR-Veteranen gefordert: Die Rede auf https://dserver.bundestag.de/btp/20/20171.pdf )
Nach der Plenardebatte traf der erste Debattenredner, MdB Boris Mijatovic, mit einigen der Veteranen zu einem vertieften Gespräch von fast zwei Stunden zusammen. Ausführlich zur Sprache kamen die trotz aller Fortschritte nicht überwundenen Erschwernisse und Widersprüche im Alltag der Versorgung von Einsatzgeschädigten. Hier sei die in Politikerreden proklamierte Wertschätzung von Einsatzgeschädigten noch zu oft nicht spürbar. Diese ernüchternden Erfahrungen hätten aber nichts daran geändert, dass sie stolz auf ihren Einsatz seien. Der Abgeordnete, dessen Familie aus dem früheren Jugoslawien stammt, ist ordentliches Mitglied in drei Ausschüssen (EU, Menschenrechte, Verteidigung) und in seiner Fraktion u.a. für den Westbalkan zuständig. Mit deutlichen Worten skizziert er die heutige Konfliktlandschaft und benennt einzelne Friedensstörer. Völlige Übereinstimmung besteht in der Runde, dass es ohne KFOR längst schon wieder fürchterlich gebrannt hätte. KFOR werde weiterhin von der kosvoalbanischen wie von der serbischen Seite sehr geachtet. Beim Abschied übergibt mir Generalleutnant a.D. Kather seine Commander`s Coin als COMKFOR mit einer herzlichen Widmung. (Ich hatte im Vorfeld die Vorsitzenden und Obleute von Auswärtigem und Verteidigungsausschuss angeschrieben und eine Einladung von KFOR-Veteranen zur abschließenden KFOR-Mandatsdebatte angeregt. )
Ein Schatten bleibt: Eine öffentlichkeitswirksame Würdigung des KFOR-Einsatzes und seiner Veteranen durch die beiden politischen Auftraggeber Bundesregierung und Bundestag unterblieb auch im Umfeld des 25. Jahrestages. Eine solche hatten wir zu sieben Kolleginnen und Kollegen aus dem Beirat für Fragen der Inneren Führung, die seit langem mit KFOR verbunden sind, empfohlen. Sie wurde – wie schon 2019 anlässlich des 20. Jahrestages – nicht aufgenommen. KFOR bleibt trotz aller sicherheits- und friedenspolitischen Großleistung und Verdienste ein weitgehend vergessener Einsatz. Die Chance, einen anschaulichen und überzeugenden Beitrag zur bundeswehreigene Traditionspflege zu leisten, wurde verpasst.
Wenige Stunden zuvor fand im Kongresszentrum Axica am Pariser Platz die Feierstunde zum „Tag des Peacekeeping“ statt. Zum inzwischen 11. Mal ehrten dabei die Minister:innen des Auswärtigen, der Verteidigung und des Inneren, Boris Pistorius, Annalena Baerbock und Nancy Faeser, stellvertretend je drei Soldaten, Zivilexperten und Polizisten, die im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements an Missionen von NATO, EU und VN teilgenommen hatten. In diesem Jahr wurden Frauen und Männer aus den Einsätzen UNIFIL (Libanon), UNMISS (Südsudan), UNSOM (Somalia), EUCAP Somalia, UNMIK (Kosovo), EUMA (Armenien) und vom Special Criminal Court (Zentralafrikanische Republik) vorgestellt und geehrt. Nach der individuellen Laudatio kamen die Geehrten in lockeren Fragerunden mit den Minister:innen und den Vorsitzenden der jeweiligen Fachausschüsse selbst zu Wort und schilderten wesentliche Erfahrungen.