Am 8. Juli schwerer Luftangriff mit rund 40 Rakete und Marschflugkörpern vor allem gegen zivile Ziele.
Putins „Verhandlungsangebot“ zum „nationaler Familienfeiertag“ – Marschflugköper gegen die größte Kinderklinik der Ukraine , Winfried Nachtwei (10.07.2024) (Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )
Am Morgen des 8. Juli startete Russland in zwei Wellen einen besonders schweren kombinierten Raketenangriff gegen die Ukraine: Zuerst vier Kh-101 Marschflugkörpern aus der Oblast Saratow und zwei Iskander-M ballistische Raketen von der Krim und Oblast Kursk. Dann um 10.00 Uhr eine Khz-47 Kinzhai ballistische Rakete, vier Iskander-M ballistische Raketen, ein 3M22 Zirkon Marschflugkörper, 13 Kh-101 (mit Tarnkappen-technik), 14 Kalibr und zwei Kh-22 Marschflugköper sowie drei Kh-59/69 Luft-Boden-Raketen. 21 Raketen wurden von er ukrainischen Luftverteidigung abgeschossen. (Institute for the Study of War, 08.07.24, https://www.understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-july-8-2024 )
Getroffen wurden Wohngebiete und zivile Infrastruktur in Kiew (27 Tote und 117 Verletzte) und den Städten Dnipro, Kryvyi Rih (11/59), Slovyansk, and Kramatorsk.
Besonders verheerend war der Einschlag eines Kh-101 Marschflugköpers auf dem Gelände der Kinderklinik Ochhmatdyt („Schutz von Mutter und Kind“) in Kiew. Getroffen wurde die Intensivstation, Transplantationsstation, die Dialyseabteilung und die Onkologie. Da die meisten Patientinnen und Patienten rechtzeitig in den Bunker evakuiert werden konnten, kamen „nur“ zwei Erwachsene, darunter eine Ärztin, ums Leben, sieben wurden verletzt, darunter zwei Kinder. Alle 600 stationär dort behandelten Kinder, darunter viele mit Krebs, Kriegsverletzungen und Traumatisierungen, wurden in andere Gesundheitseinrichtungen gebracht. „In einem großen Wohnhaus in der Nähe der Klinik wurden sieben Menschen getötet, darunter drei Kinder. In einem weiteren teilweise zerstörten Krankenhaus kamen neun Menschen ums Leben, in einem Geschäftszentrum sieben, in einem Wohnhaus ebenfalls sieben Menschen, darunter drei Kinder.“ (FAZ 10. Juli) Bernhard Clasen berichtet am 10. Juli in der taz: „Die Klinik ist ausgebombt. Verkohlt sind die Fassaden, ein Gebäude ist völlig zerstört, die klaffen wie schwarze Löcher. (Vgl. „Wir bildeten Menschenketten“, Augenzeugenbericht des US-amerikanischen Künstlers Clemens Poole, FAZ 10. Juli, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/angriff-auf-die-kinderklinik-in-kiew-ein-augenzeugenbericht-19844326.html ; auch auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )
Die Klinik wurde 1894 eröffnet und ist die größte und hochspezialisierte Kinderklinik des Landes. Sie hat 720 Betten, rund 18.000 Kinder werden hier im Jahr stationär behandelt und bis zu 7.000 Operationen durchgeführt. Im Traumazentrum werden rund 20.000 Notfälle behandelt.
Nach vorläufigen Untersuchungen des Uno-Menschenrechtsbüros ist die Klinik von einer russischen Kh-101-Rakete direkt getroffen worden. Zu diesem Schluss kommen Experten, die Videoaufnahmen ausgewertet und die Schäden vor Ort direkt untersucht haben, wie Danielle Bell, die Leiterin der Beobachtermission für Menschenrechte der Vereinten Nationen in der Ukraine, sagte. Sie nennt dies »einen der ungeheuerlichsten Angriffe, die wir seit Beginn der Invasion erlebt haben«. (Spiegel Online 09.07.2024)
Russland behauptet ohne weitere Belege, dass das Krankenhaus von einem ukrainischen Boden-Luft-Raketenabwehrsystem NASAMS getroffen wurde. Analysen von Videoaufnahmen des einschlagenden Flugkörpers durch Spezialisten, unter anderem auch der Vereinten Nationen, kommen jedoch zu dem Schluss, dass es sich eindeutig um einen russischen Kh-101-Marschflugkörper handelte und dass dieser nicht versehentlich das Krankenhaus traf, sondern von der russischen Luftwaffe in Russland gestartet und höchstwahrscheinlich gezielt auf das Krankenhaus abgefeuert wurde. Zudem wurde im Rahmen der Aufräumarbeiten mindestens ein größeres Trümmerteil eines russischen Kh-101-Marschlugkörpers am Einschlagort gefunden und sichergestellt. Einzelne Raketentrümmer, wie sie bei einem Abschuss eines russischen Flugkörpers durch die ukrainische Flugabwehr bereits vor dem Einschlag entstehen würden sowie äußere Schäden an dem einschlagenden Marschflugkörper waren auf den Videoaufnahmen, die den Marschflugkörper kurz vor dem Einschlag zeigen, noch nicht vorhanden
„Nationaler Familienfeiertag“ in Russland (Frankfurter Rundschau am 10. Juli): „Während die russischen Streitkräfte ihren Angriff auf Kiew verübten, feierte Putin mit seinen Bürgern einen nationalen Familienfeiertag. Dieser Tag ist „der Bewahrung der Familienwerte gewidmet“, wie Newsweek die Website der Putin-Partei Einiges Russland zitiert. Im Jahr 2022 unterzeichnete er ein Dekret, dass den Tag zu einem offiziellen Feiertag machte. „Für uns, für den Staat, kann es nichts Wichtigeres geben, als die Familie zu stärken“, so Putin am Tag des Angriffes auf Kiew bei einem Treffen mit Teilnehmern eines Wettbewerbs für russische Kinder. Zudem sagte er: „Wenn Sie zu diesem Wettbewerb gegangen sind, einem Familienwettbewerb, bedeutet das, dass Sie sich nicht nur als Familienteam gefühlt haben, sondern auch bereit waren, zusammenzuarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Nichts eint die Menschen mehr als die Zusammenarbeit, um ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen.“