Ein exemplarisches Beispiel, wie lange es immer wieder braucht, konstruktive Ansätze auf den Weg zu bringen. Vieles kommt nur mit langem Atem zustande.
Stärkung von Friedensfähigkeiten – zum Entstehungshintergrund von „zivilen Planzielen“ und den Empfehlungen des Beirats Zivile Krisenprävention + Friedensförderung dazu, Winfried Nachtwei[1] (31.08.2024)
Im August 2024 wurde die „STELLUNGNAHME STÄRKUNG DER FÄHIGKEITEN FÜR INTEGRIERTES FRIEDENS-ENGAGEMENT – ECKPUNKTE ZU ZIVILEN PLANZIELEN, Empfehlungen des Beirats der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung“ auf der Website des Beirats veröffentlicht. file:///C:/Users/Anwender/Downloads/Stellungnahme_Staerkung-der-Faehigkeiten-fuer-integriertes-Friedensengagement-%E2%80%93-Eckpunkte-zu-zivilen-Planzielen.pdf
Im Dezember 2021 war im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vereinbart worden, die Koalition werde „Krisenprävention und ziviles Krisenmanagement in besonderer Weise stärken, u. a. mehr ziviles Personal entsenden“ und „Wir wollen Deutsch-lands Rolle bei der Entschärfung internationaler Krisen weiter ausbauen, dazu die Zusammenarbeit über Ressortgrenzen hinweg verbessern. Wir wollen Planziele definieren, um verlässlich und schnell Personal sowie finanzielle Mittel für zivile Krisenprävention bereitstellen zu können“ (S. 108, 117). Damit kam eine Forderung auf die Agenda von Bundesregierung und Bundestag, die von Seiten des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung schon sehr früh thematisiert worden war, aber lange von der Politik nicht aufgenommen wurde. Da der Ankündigung des Koalitionsvertrages auf Seiten der Ressorts und des Bundestages bisher keine Umsetzungsschritte folgten, erarbeitete der Beirat die o.g. Stellungnahme mit Eckpunkten zu zivilen Planzielen und stellt sie zur Diskussion.
Der Entwurf der Stellungnahme wurde von einer AG mit den Beiratsmitgliedern Bodo von Borries, Winfried Nachtwei, Matthias Ries, Ginger Schmitz, Martin Vehrenberg und Lars Wagner mit Unterstützung von Laura Berger für unser Koordinationsteam erarbeitet. Großen Dank für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und den gemeinsamen Lernprozess!
Der Kontext des Politikfeldes zivile Konfliktbearbeitung
Die Herausforderungen der Nachkriegsstabilisierung und Friedensförderung auf dem Balkan nach der Beendigung des Bosnienkrieges 1995 machte den Bedarf an neuen Friedensfähig-keiten unübersehbar: Die traditionelle Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit stießen an ihre Grenzen. Notwendig wurde der Aufbau neuer Instrumente und Ansätze der zivilen Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung bei innerstaatlichen Konflikten auf gesellschaftlicher und staatlicher Ebene. Aus der Einsicht, dass Frieden Fachleute, Fähigkeiten und Gesamtkonzepte braucht, entstanden nach Antritt der rot-grünen Koalition auf Bundesebene ab 1998 das Zentrum Internationale Friedenseinsätze (ZIF), der Zivile Friedensdienst (ZFD), die Deutsche Stiftung Friedensforschung, das Förderprogramm zivik, die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) als Orte einer Infrastruktur ziviler Konfliktbearbeitung. Der 2004 vom Bundeskabinett beschlossene Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ der Bundesregierung war das erste Gesamtkonzept und nannte als strategischen Ansatzpunkte die Herstellung verlässlicher staatlicher Strukturen, Schaffung von Friedenspotenzialen und Sicherung von Lebenschancen. 2015 gründete das Auswärtige Amt die Abteilung S für Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge, mit der Krisenfrüherkennung, Friedensmediation und Stabilisierungskapazitäten deutlich gestärkt wurden. 2017 erklärte die Bundesregierung in ihren Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ die „Vermeidung von Krieg und Gewalt in den internationalen Beziehungen, das Verhindern von Völkermord und schweren Menschenrechtsverletzungen zur deutschen Staatsraison“. „Wo immer möglich geben wir zivilen Maßnahmen der Konfliktlösung den Vorrang“, auch wenn bei der Stabilisierung von Nachkriegsgesellschaften militärische Maßnahmen gegebenenfalls notwendig seien.
Problembenennung
Schon in einem Kommentar zum gerade veröffentlichten Aktionsplan von 2004 wurde die Ressourcenproblematik thematisiert: „Ein Knackpunkt wird im Aktionsplan (…) auf S. 59 angedeutet: „Im institutionellen Bereich müssen die personellen und materiellen Kapazitäten krisenpräventives Handeln ermöglichen.“ Im Klartext: In Wirklichkeit sind diese personellen und materiellen Voraussetzungen noch keineswegs ausreichend – weder in den Ministerien, noch bei zivilgesellschaftlichen Akteuren. Deshalb bleiben auch die genannten Konsequenzen (Umwidmung bereits vorhandener Ressourcen; neue Mittel, wo unumgänglich; Verstetigung der Haushaltsmittel für Krisenprävention, Nr. 140) in ihrer großen Bescheidenheit weit unterhalb des Notwendigen. Das deutliche Mehr an Aufgaben und vor allem ein früheres Eingreifen in Krisen ist nicht mit denselben personellen Kapazitäten zu schaffen! Andernfalls bleibt es bei dem üblichen Mechanismus, wo Überforderung und –belastung Abwehr gegen frühes Engagement in weiteren Konfliktfeldern fördert, wo Engagement in neuen Konflikt-feldern oft auf Kosten bisheriger Aufgaben geht.“ (W. N., Kommentar zum Aktionsplan 2004 „Großer Fortschritt an Friedensfähigkeit“, http://nachtwei.de/pdf/ak_plan_ziv_wn.pdf )
Persönliche Anmerkung: Im Laufe meiner 15-jährigen Mitgliedschaft im Verteidigungs-ausschuss des Bundestages und der Arbeit auf dem Feld der zivilen Krisenprävention und Friedensförderung wurde mir immer deutlicher, welch unterschiedlichen Stellenwert die Kategorien Fähigkeiten und Kapazitäten in den verschiedenen Ressorts und Politikbereichen haben: Auf Seiten der Bundeswehr sind es Schlüsselbegriffe. Ausgehend von politisch-strategischen Vorgaben (Weißbuch) und strategisch-konzeptionellen Vorgaben (Konzeption der Bundeswehr) wird ein Fähigkeitsprofil der Bundeswehr entwickelt, das ihr Handlungs- und Leistungsvermögen, im Hinblick auf Personal, Material, Infrastruktur, Betrieb, Organisation, Ausbildung durchbuchstabiert und die nationale Ambition schrittweise auf der Zeitachse erreicht. Demgegenüber spielte die Kategorie Fähigkeiten auf dem Feld der Außenpolitik und zivilen Krisenprävention zumindest in meiner aktiven MdB-Zeit nur eine sehr untergeordnete Rolle. In den Leitlinien etc. war wohl viel von „Stärken“ und „Ausbau“ die Rede. Die Nennung von „Hausnummern“, zumindest Größenordnungen bezüglich Personal, Ressourceneinsatz, Zeitphasen wurde aber notorisch gemieden.
Civilian Headline Goals
Anlässlich des einjährigen Bestehens des Aktionsplans und der Berufung des Beirats Zivile Krisenprävention hieß es in dem Kommentar „Gute Nachricht – keine Nachricht?“ vom Mai 2005 unter „Perspektiven und nächste Schritte“:
„6. Internationale und multilaterale Verkoppelung der deutschen Infrastruktur zivile Krisenprävention, insbesondere auf Ebene der EU, der VN und OSZE. Das Zivile Planziel 2008 der EU (Rat der EU, 15863/04 vom 7.12.2004) wie auch der Vorschlag der Hochrangigen Gruppe zur VN-Reform, angesichts der vielfach fehlgeschlagenen Friedenskonsolidierungs-prozesse eine Peacebuilding-Commission einzusetzen, sind Anknüpfungspunkte und Anregungen für den deutschen Aktionsplan. Die EU will integrierte Kontingente für mehrere parallele zivile Krisenbewältigungsmissionen aufbauen, darunter mindestens eine umfassende kurzfristig entsendbare zivile „Substitutionsmission“ in einem prekären Umfeld. Deshalb muss auch die Bundesrepublik in Kürze ihre zivilen Planziele definieren – wie viel ausgebildetes Personal sie für verschiedene Fähigkeitsbereiche (z.B. Rechtsstaatsaufbau, Entwaffnung/Demilitarisierung/ Reintegration etc.) verfügbar halten will. Diese Klärung ist spätestens seit der Planung der Bundeswehr akut, mit den künftigen Stabilisierungskräften bis zu fünf Stabilisierungseinsätze gleichzeitig mit maximal 14.000 Soldaten über längere Zeit gewährleisten zu können.
- Für die Aktionen des Aktionsplans sind operationalisierte Handlungsziele (benchmarking) zu formulieren.“
(W.N., Gute Nachricht – keine Nachricht? Ein Jahr Aktionsplan zivile Krisenprävention (…), http://nachtwei.de/downloads/position/200505_1jahraktionsplan.pdf )
Konkretisierung der Forderung nach zivilen Planzielen in der Broschüre „Viel beschworen, wenig bekannt: Zivile Krisenprävention und Friedensförderung“ von W.N., 2008:
„(…) Grundwiderspruch und Handicap aller Bemühungen für ZKB ist bis heute der zunehmende Bedarf, der teilweise hohe verbale Zuspruch + die geringe Streitigkeit einerseits, die geringe Kohärenz, Ressourcenausstattung und minimale öffentliche Wahrnehmung andererseits. Hinzu kommt eine erhebliche Wissens- und Erfahrungskluft in Sachen ZKB zwischen Forschung und UN-Welt einerseits und politischen Entscheidungsträgern andererseits.
Dringende Schritte:
- Entwicklung einer ressortübergreifenden Führungsfähigkeit in der Bundesregierung, Steuerungskompetenz des Ressortkreises
- Deutliche finanzielle und personelle Verstärkung, ZFD 500, stehende Kräfte (Aufholprogramm), gemeinsamer Haushaltstitel Krisenprävention
- Kooperations- und Kohärenzförderung, Klärung des Verhältnisses zwischen zivilen und militärischen Akteuren
- Kommunikationsstrategie und -kapazitäten
- Zivile Planziele 2010 orientiert am Bedarf + in Abstimmung mit den Planzielen der EU
- Chancenanalysen + early-warning/early-action-Mechanismen (…)
Trotz aller Berliner Stagnation liegt die ZKP voll im Trend der internationalen Politik, bietet Antworten auf eine stark wachsende Nachfrage. Stichworte dafür sind
– die neue Peacebuilding Commission der UN, mit der die komplexen und langwierigen Friedenskonsolidierungsprozesse auch auf UN-Ebene erstmalig abgestimmt begleitet und unterstützt werden sollen;
– die Anstrengungen der EU: „Zivile Planziele 2008“ und inzwischen „2010“; die zzt. 12 EU-Missionen im Bereich der zivilen ESVP (in Palästina und Aceh war ausdrücklich nur die EU erwünscht), der Aufbau von „Civilian Response Teams“/CRT (stand-by und schnell einsatzfähig; solches hat auch die UN noch nicht);
– vor dem Hintergrund des Irak-Desasters die „Kehrtwende der Bush-Administration zum Nation Building“ (…)
– nicht zuletzt die deutlich wachsende Offenheit, ja sogar manchmal das regelrechte Drängen bei deutschen Militärs auf Stärkung der ZKB, insbesondere auf der Ebene Friedenskonsolidierung. Aus eigener Erfahrung sieht man immer deutlicher: Ohne effektive zivile Krisenprävention werden teure Auslandseinsätze immer häufiger nötig, ohne ausgewogene Fähigkeiten des Peacebuilding dauern militärische Stabilisierungseinsätze potenziell endlos. Damit geraten sie in Gefahr, immer weniger als Unterstützungs- und mehr und mehr als Besatzungstruppe wahrgenommen zu werden. Es ist schon eine Ironie der besonderen Art, dass Krisenprävention inzwischen am ehesten Zuspruch aus den Reihen einsatzerfahrener Offiziere – und weniger aus dem AA – erfährt. (…)
- Einzelne Maßnahmen und Instrumente (…)
(b) Polizeimissionen/CIVPOL: Enorm wächst die Nachfrage auf dem Feld der Sicherheitssektorreform in schwachen, versagenden Staaten. Vor allem der Aufbau einer einigermaßen rechtsstaatlichen Polizei und Justiz hat dabei strategische Bedeutung. (…) Seit die EU ein wesentlicher Akteur ist, haben sich die Anforderungen an Polizeimissionen grundlegend gewandelt: weg von Exekutivfunktionen wie im Kosovo hin zu kleineren Beratungs- und Monitoring-Missionen. Angefragt werden aus Brüssel in der Regel Spezialisten. Eine militarisierte Polizei wird den gestiegenen Anforderungen immer weniger gerecht. Hinzu kommt der wachsende Zeitdruck: Manchmal sollen erste Kräfte binnen 20 Tagen rausgehen.
Mit Stand vom 8.12.2007 sind 227 dt. Polizeivollzugsbeamte in Auslandseinsätzen, davon 146 UNMIK/Kosovo, 26 EUPOL/AFG, 10 PGPAA/AFG, 15 EUPM BuH, 9 EUBAMMD/ Border Assistance Moldawien, 7 UNMIS/Sudan, 5 UNMIL/Liberia, 4 EU AMIS II/Darfur, 3 UNOMIG/Georgien, je 1 Polizist EUBAM Rafeh und EUCOPPS/Palästina. (In 2001 waren 550 Polizisten im Einsatz)
Im Rahmen des Zivilen Krisenmanagements der EU sind 5.000 Polizisten vorgesehen, davon sollen bis zu 1.000 binnen 30 Tagen einsatzbereit sein. Deutschland hat hierfür 910 Beamte zugesagt. Im Hinblick auf Rotationen läuft das auf ca. 3.000 einzuplanende Beamte hinaus. Der Bund stellt 33% des dt. EU-Kontingents, ab 451 50%. Gerade in Sachen Polizeiaufbau gelten die deutschen Beiträge qualitativ als ausgezeichnet. Die Diskussion um den so vordringlichen wie zurückbleibenden Polizeiaufbau in Afghanistan zeigt aber auch, dass der Umfang der deutschen Beiträge unzureichend ist. (…)
- ZKB auf EU-Ebene (…)
(b) Ziviles Planziel (Civilian Headline Goal/CHG): Mit den EU-Gipfeln in Helsinki und Feira 1999/2000 begann der Ausbau von Fähigkeiten der nicht-militärischen Krisenbewältigung. Bei der nicht-militärischen Säule konnte auf ein breites, bisher aber wenig koordiniertes Spektrum an Instrumenten zurückgegriffen werden. Als prioritäre Bereiche wurden festgelegt Polizei, Rechtsstaatlichkeit, Zivilverwaltung und Bevölkerungsschutz. Mit dem „Programm zur Verhütung gewaltsamer Konflikte“ (Göteborg 2001) wurde nicht-militärische Krisenbewältigung zu einem außenpolitischen Schwerpunkt der EU. Der Aktionsplan für die zivilen Aspekte der ESVP (2004) definierte ein Ziviles Planziel (Civilian Headline Goal) 2008: knapp 6.000 Polizisten, 631 Rechtsexperten, 576 Verwaltungsexperten, Rechtsexperten, 5.000 Fachleute für den Katastrophenschutz, dazu 516 Krisenbeobachter und 444 Experten für Menschenrechte, politische Fragen, Gender und Sicherheitssektorreform zur Unterstützung der EU-Sonderbeauftragten. Deutschland hatte im 2.Halbjahr 2007 gemeldet 910 Polizisten, 38 Rechtsstaatspersonal, 73 Fachleute für Zivile Verwaltung, 123 für Bevölkerungsschutz, 48 Überwachung, 20 für EUSR-Unterstützung, 36 für Missionsunterstützung. Inzwischen haben die Arbeiten für das neue zivile Planziel CHG 2010 begonnen.
Der Vorschlag zur Gründung eines European Civil Peace Corps (ECPC) kam 1994 von Alexander Langer, MdEP der Grünen. 2001 forderte das EP den Aufbau eines Friedenskorps. 2004 erschien dazu eine Machbarkeitsstudie als Projekt des Berghof Zentrums für konstruktive Konfliktbearbeitung/Berlin und des International Security Information Service, Europe. (…)
- Schlüsselprobleme und notwendige Schritte (…)
– Die Infrastruktur ZKB muss finanziell und personell deutlich verstärkt werden. Notwendig ist nicht nur eine verbesserte Verfügbarkeit von zivilem Fachpersonal, sondern auch ein Potenzial „stehender Kräfte“. Ohne diese sind weder der notwendige Austausch mit anderen Akteuren noch schnelle Reaktionen möglich. Das gilt insbesondere auch für die zivilgesell-schaftlichen Akteure, die in der Friedensarbeit schon immer viel weniger Eigenmittel aus Beiträgen und Spenden zur Verfügung haben als Menschenrechts-, Hilfs- oder Umwelt-organisationen. Der ZFD muss in wenigen Jahren auf 500 Friedensfachkräfte in Krisen-regionen aufwachsen. (…)
– Umfassende Mandate: Angesichts des notorischen Rückstandes von zivilen gegenüber militärischen Fähigkeiten bei deutschen Beteiligungen an multilateralen Krisenengagements sollten die zivilen Fähigkeiten bei Mandatsentscheidungen zu Auslandseinsätzen mit beschlossen werden. Anders ist die Schräglage offenbar nicht zu knacken. (Erweiterung der Parlamentsbeteiligung) (…)
– Definition von Zivilen Planzielen 2010 für Schlüsselfähigkeiten der ZKB (z.B. für gesellschaftliches Peacebuilding/ZFD, Sicherheitssektorreform, Demilitarisierung/ Demobilisierung und Reintegration) orientiert am Bedarf + in Abstimmung mit den Planzielen der EU. Hier ist der Ehrgeiz eines Aufholprogramms angesagt. (…)“ https://shop.aphorisma.eu/products/aphorisma_978-3-86575-522-3?srsltid=AfmBOorFMI8xYGTMSFl1ap3KULZhiA6Txo7tl-Ed-AfbCmqI1nGWHY-Y
Kritik an der Weigerung der Bundesregierung, zivile Planziele zu formulieren, in Kommentaren zum 2. und 3. Umsetzungsbericht zum Aktionsplan (2008, 2010)
( http://www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=77&aid=985
Anhörung des Unterausschusses ZKP des Bundestages zu 10 Jahren Aktionsplan, 5. Mai 2014
(5) Kapazitäten: International wächst der Bedarf an Zivilexperten für Verwaltungsaufbau, Rule of Law, Sicherheitssektorreform, Polizeiaufbau, Förderung von Zivilgesellschaft, Mediation. Deutsche Fachleute haben hier einen guten Ruf. Sie sind international besonders gefragt, stehen aber in zu geringem Umfang zur Verfügung.
Exemplarisch habe ich das über die Jahre auf dem Feld der Polizei erlebt. Internationale Polizeimissionen haben im Kontext der VN-Friedenssicherung eine Schlüsselrolle bei der Förderung eines rechtsstaatlichen Gewaltmonopols und nachhaltiger Bürgersicherheit. So professionell die deutschen Polizeiberater sind, so sehr leidet ihr Einsatz seit Jahren unter politischer Vernachlässigung. Internationale Polizeimissionen und Auslandsverwendungen gehören inzwischen zu den Kernaufgaben der deutschen Polizeien. Um diese angemessen wahrnehmen zu können, bedarf es zusätzlicher Personalstellen, systematischer Erfahrungs-sicherung und konzeptioneller Kompetenz. Letztere gibt es institutionell bisher nirgendwo! (Hierfür käme die Deutsche Hochschule der Polizei infrage.) (…).
Es ist an der Zeit, bessere Voraussetzungen für eine zügige und durchhaltefähige Entsendung von zivilen Experten zu schaffen. Dabei sollte sich die Bundesrepublik auf solche Qualifikationen konzentrieren, wo sie besondere Stärken hat. Der notwendige Kräfteaufwuchs muss nach zivilen Planzielen erfolgen. Dabei geben die Zivilen Planziele der EU von 2008 und 2010 eine Mindestorientierung.
Ein deutlich stärkeres Gewicht sollte die Förderung einheimischer Fachkräfte und Kapazitäten bekommen. Hierzu verfügen das AA-finanzierte Förderprogramm „zivik – zivile Konfliktbearbeitung“ des Instituts für Auslandsbeziehungen über erhebliche Erfahrungen.
Die stärkere Teilhabe von Frauen in Friedensprozessen ist eine dringende Querschnittaufgabe ziviler Krisenprävention und im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der VN-Sicherheitsrats-Resolution 1325 konkretisiert. ( http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=108&aid=1286 )
Empfehlung zu einer Konzeption „Fähigkeiten Krisenverhütung/Friedensförderung (zivil)“ im Kommentar zu den Leitlinien „Krisen. Verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ der Bundesregierung, W.N. 11. Juli 2017
„Meine Empfehlung (erstmalig beim Unterausschuss zivile Krisenprävention am 26. Juni vorgetragen): Der nächste Bundestag, ausgehend vom hoffentlich fortgeführten Unterausschuss Zivile Krisenprävention, fordert die Bundesregierung auf, eine
- Konzeption „Fähigkeiten Krisenverhütung/Friedensförderung (zivil)“
vorzulegen. Diese soll ein nationales Anspruchsniveau (level of ambition), die notwendigen Fähigkeiten und personellen Kapazitäten, zivile Planziele zur systematischen Stärkung von Fähigkeiten der Krisenverhütung/Friedensförderung für einen mittelfristigen Zeitraum beinhalten.“
(Dass der Haushaltsausschuss im Rahmen der Haushaltsberatungen mehrfach die Ansätze für Krisenverhinderung/humanitäre Hilfe und Friedensförderung deutlich aufstockte, war zu begrüßen, reicht aber keineswegs: Zwingend notwendig ist eine systematische und mittelfristig angelegte Stärkung der Strukturen, Instrumente und Kapazitäten der Friedensförderung. Ein Lichtblick ist die Protokoll-Erklärung der SPD-Minister zum Kabinettsbeschluss über den Entwurf des Bundeshaushalts 2018: „Parallel zum maßvollen Anstieg der Verteidigungsausgaben (müssen) die internationalen Anstrengungen für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe und für Entwicklungszusammenarbeit mindestens im gleichen Maße gesteigert werden.“ AA-Staatsminister Michael Roth forderte bei der 15-Jahrfeier des ZIF am 27. Juni einen „Diplomatic Surge“.) ( http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=77&aid=1482 )
Kapazitätsziele festlegen, Unterausschuss wieder einrichten, Empfehlung des Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung vom 28.02.2018
Die nächste Bundesregierung sollte einen Umsetzungsplan mit konkreten Kapazitätszielen im Bereich Krisenverhütung und Friedensförderung entwerfen und den Unterausschuss Zivile Krisenprävention wieder einrichten. Dieser Beitrag fasst zentrale Empfehlungen des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung zusammen, die dieser anlässlich der Koalitionsverhandlungen im Januar 2018 an CDU/CSU und SPD übermittelte. (…)
Zivile Kapazitätsziele festlegen
Die nächste Bundesregierung sollte eine Konzeption „Fähigkeiten Krisenverhütung/ Friedensförderung (zivil)“ in Form eines Umsetzungsplans entwickeln und umsetzen. Eine solche Konzeption sollte die zu erwartenden Bedarfe formulieren und daraus Kapazitätsziele ableiten. Diese sollten aus einem Konsultationsprozess hervorgehen, der zivilgesellschaft-liche, entwicklungspolitische und menschenrechtliche Expertise einschließt.
Die neuen Leitlinien schließen mit 50 Selbstverpflichtungen der Bundesregierung. Sehr viele dieser Selbstverpflichtungen beinhalten „Stärkung“, „Fortentwicklung“ oder „Ausbau“ von Maßnahmen und Instrumenten. Die Leitlinien verzichten aber auf jede Konkretisierung von Bedarfen und die Benennung notwendiger Fähigkeiten und Ressourcen. Die Absichtserklärungen der Selbstverpflichtungen sind notwendig, aber nicht ausreichend. Der fortdauernde Nachholbedarf an Fähigkeiten der zivilen Krisenprävention und die Häufung von Krisen, Gewaltkonflikten und humanitären Großkatastrophen nötigen ein Land wie die Bundesrepublik, auf dem Feld der Krisenprävention und Friedensförderung schneller besser zu werden. Eine Bundesregierung, die die „Ausgaben im Bereich der zivilen Krisenprävention deutlich erhöhen“ will (Sondierungsergebnis), sollte die Fähigkeiten und Instrumente der zivilen Krisenprävention strukturiert und terminiert aufbauen und stärken. Hierfür ist ein Umsetzungsplan unabdingbar, welcher die Kapazitätsziele und Implementierungsschritte verbindlich festlegt.
Wesentliche Bestandteile der Konzeption wären erstens, die Definition eines nationalen Anspruchsniveaus (level of ambition), orientiert am Bedarf an Präventionsfähigkeiten der VN, OSZE, EU, Regionalorganisationen und humanitären und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Zweitens sollte die Konzeption zivile Planziele für den Zeitraum der nächsten vier Jahre enthalten. Diese sollten insbesondere auf folgenden Gebieten Ziele festlegen:
- Analysekapazitäten (Krisenfrüherkennung, menschenrechtliches Monitoring, Regionalkompetenz, Chancenanalysen, operative und politische Wirkungsanalyse/Evaluierung, Friedens- und Konfliktforschung, etwa über die überfällige Kapitalerhöhung der Deutschen Stiftung Friedensforschung) und Strategiebildung;
- Diplomatie und Mediation;
- Zivil- und Polizeiexperten und Ressourcen für internationale Friedenseinsätze von VN, OSZE, EU und andere , für Sicherheitssektorreform und Rechtsstaatsförderung (ZIF);
- sowie zivilgesellschaftliche Friedensförderung (ZFD, zivik).
Für einen Ausbauplan ZKP – Stellungnahme des Beirats Zivile Krisenprävention und Friedensförderung zum Umsetzungsbericht der Bundesregierung, März 2021
(…) 3. Personelle und finanzielle Kapazitäten – Ausbauplan für zivile Krisenprävention und Friedensförderung
In dem Bericht werden die Entsendungen ziviler Expert*innen durch das Zentrum für internationale Friedenseinsätze und im Rahmen internationaler Polizei- und Militäreinsätze aufgeführt. Leider ist die Entwicklung der Zahlen in einigen Bereichen – insbesondere bei Polizeieinsätzen, bei OSZE-Missionen oder Langzeitwahlbeobachtungen, sowie insgesamt der Anteil weiblicher Expertinnen – auch unter Ausschluss der Pandemieauswirkungen ernüchternd. Auch fehlt eine Gesamtdarstellung der Haushaltsmittel, die sich zivilen Präventionsansätzen, Krisenmanagement und Friedensförderung zurechnen lassen und
ihrer Entwicklung in den letzten vier Jahren.
Während z. B. das NATO-Ziel für 2 % des BIP für Verteidigungsausgaben weiter öffentlich diskutiert wird, gibt es keine vergleichbare politische Zielsetzung für zivile Krisenprävention und Friedensförderung. Außerdem fehlen konkrete Zielsetzungen für den Personalausbau bei internationalen Polizeimissionen oder den Anteil von Frauen an zivilen, polizeilichen und militärischen Missionen, den Aufbau von Fachpersonal an den deutschen Auslandsvertretungen und in den Fachabteilungen der Ressorts sowie bei der Förderung zivilgesellschaftlicher Ansätze wie dem zivilen Friedensdienst.
Ohne einen Umsetzungsplan mit Kapazitätszielen und Implementierungsschritten lassen sich die Fortschritte nicht überprüfen. Erfolge lassen sich schwer als solche identifizieren und Defizite bleiben unerkannt.
Das Politikfeld zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung bleibt leider weitgehend unsichtbar. Erstmalig hat jetzt eine interministerielle Arbeitsgruppe ein Konzept zur Kommunikation von Krisenengagements erarbeitet. Die Umsetzung und Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dem Politikfeld mehr politisches Gewicht zu verschaffen. Dies kann die notwendige politische und öffentliche Unterstützung für ambitionierte Ausbauziele absichern.
„Krisenprävention und Friedensförderung im Koalitionsvertrag stärken“, 28.10.2021 (zu den Koalitionsverhandlungen von SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP)
Der Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung hat in einer
Stellungnahme zum Bericht über die Umsetzung der Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte
bewältigen, Frieden fördern“ im März 2021 Fortschritte bei der Umsetzung gewürdigt und
weitere Maßnahmen auf der Grundlage der Selbstverpflichtungen in den Leitlinien
angeregt.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Beirat folgende konkrete Maßnahmen, um den
Bereich der zivilen Krisenprävention und Friedensförderung in der neuen Bundesregierung
zu stärken und die Leitlinien konsequent umzusetzen.
(…)
- innerhalb von 12 Monaten einen konkreten Umsetzungsplan mit Kapazitätszielen
und Implementierungsschritten für die Leitlinien zur Krisenprävention und
Friedensförderung zu verabschieden, damit Fortschritte überprüft werden können.
( https://beirat-zivile-krisenpraevention.org/neuigkeit/stellungnahme-umsetzung-der-leitlinien/ )
[1] Ehemaliger MdB (1994-2009), Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung seit 2010 (seit 2005 Gast), im Beirat Innere Führung des Verteidigungsministers, im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), im Vorstand von „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und von „Lachen helfen“, Sachverständiger in er Enquete-Kommission des Bundestages zu Afghanistan