Tiefpunkt im Bundestag und Höhepunkt in der Halle Münsterland

Am 31. Januar verbrachte ich seit langem mal wieder einen ganzen Tag im Bundestag, auf der Zuschauertribüne. In Erwartung der Debatte über den Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Bundestages zu Afghanistan, an dem ich kräftig mitgewirkt habe. Dann kam einiges sehr anders …

Tiefpunkt im Bundestag und Höhepunkt in der Halle Münsterland, Winfried Nachtwei (04.02.2025), Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei

Am Freitag, 31. Januar, erlebte ich im Bundestag einen historischen Tiefpunkt der bundesdeutschen parlamentarischen Demokratie von der Zuschauertribüne aus. Als Sachverständiger in der Enquete-Kommission des Bundestages wollte ich zusammen mit Kolleg:innen die für 11.00 Uhr angesetzte Debatte zu unserem Abschlussbericht vor Ort verfolgen. Der Morgen hatte im Bundestag mit sachlichen Debatten zur Litauen-Brigade, zur Verteidigungszusammenarbeit mit Litauen, zur Ukrainehilfe und fünf energiepolitischen Anträgen jeweils von SPD/ Grünen, Union und DP und der Billigung durch große Mehrheiten begonnen. Etliche ausscheidende Abgeordnete bedankten sich für die trotz aller Kontroversen gute Zusammenarbeit bei den Kolleg:innen anderer Fraktion, wurden herzlich von den Abgeordneten der demokratischen Parteien beklatscht, einzelne wie Tobias Lindner fraktionsübergreifend stehend. Nach der Abstimmung am Mittwoch, als zwei Unionsanträge zur Migrationspolitik dank AfD-Zustimmung die Mehrheit bekommen hatten, habe ich nach diesen zwei Debatten den Eindruck, dass keineswegs alle Tischtücher zwischen den demokratischen Parteien zerschnitten sind.

Die anschließende Debatte über das von der Union eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“ dauerte dann aber fünf Stunden. Zuerst dreistündige Sitzungsunterbrechung wegen Beratungsbedarf der Fraktionen. Dann eine Debatte, wie ich sie in 15 Jahren als Abgeordneter (1994-2009) noch nie erlebt hatte.  Die demokratischen Parteien, deren Zusammenstehen angesichts der multiplen Bedrohungen zurzeit so notwendig ist wie nie in der bundesdeutschen Geschichte, waren heiß und tief gespalten – durch Merz` „friss oder stirb“-Haltung und seine Ignoranz gegenüber europäischem Recht, aber auch dem Kollateralnutzen für die AfD. Die historische Grundlehre Nr. 1, dass Demokratie, Recht, Freiheit von den Demokraten NUR GEMEINSAM gegen ihre Feinde bewahrt und verteidigt werden kann, wurde heute gebrochen.

24 Stunden später Robert Habeck in der proppenvollen Halle Münsterland in Münster mit 4.500 Interessierten. Über 50 Minuten freie Rede, sehr klar, dicht an der Lage, deutliche Problembenennungen, LÖSUNGSORIENTIERT, differenziert argumentierend, bei aller Schärfe der Merz-Kritik eindringlich auf die Kooperationsfähigkeit der demokratischen Parteien drängend. Eine kluge, Kopf und Herz treffende Rede, vernünftig begeisternd.

Reden von zig Spitzenkandidat:innen habe ich in Wahlkämpfen seit den 60er/70er Jahren und vor allem seit Grün`s ab Ende der 70er erlebt. Heute war es die BESTE – und ein Musterbeispiel an grundlegender und verständlicher politischer Bildung. Die Rede: https://www.youtube.com/live/YCLnYJQKhaM

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