Vor zwei Jahren erschien der Thriller „Abaddon“ der bekannten Jounalisten Jörges (stern) und Vornbäumen (FR). Thema: Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump, jetzt nur radikaler.
Thriller und Trump-Politik – Szenarien möglicher Zerstörungen, Winfried Nachtwei (12.03.2025), www.facebook.com/winfried.nachtwei
2017 erschien kurz nach Beginn der ersten Präsidentschaft von Donald Trump der Thriller „Der Präsident – Kann ihn jemand stoppen, bevor er den 3. Weltkrieg auslöst?“ von Sam Bourne. Der Thriller-Präsident und seine Berater sind dem realen US-Präsidenten nachempfunden. Fiktion und Realität liegen dicht beieinander. (Näheres zu dem Roman unter (2))
2023 erschien der Thriller „Abaddon – Der Schritt zum Abgrund“ der langjährigen Journalisten Hans-Ulrich Jörges (stern) und Axel Vornbäumen (Frankfurter Rundschau) zu dem Szenario, dass 2025 Donald Trump erneut US-Präsident wurde und mit Wladimir Putin einen geheimen Pakt schließt. Die Kernbotschaften der Antrittsrede des Thriller-Trump und des US-Präsidenten im realen 2025 sind weitgehend identisch. Die beiden Präsidenten vereinbaren ihre Einflusszonen. Die USA verlassen die NATO und ziehen ihre Truppen aus Europa zurück. Putin bekommt freie Hand, das demokratische Europa schrittweise mit knallharter, dosierter Brutalität zu zerlegen – erst Polen, dann Litauen, dann Deutschland mit einem totalen Cyberangriff …
Der ausgesprochen spannende und empfehlenswerte Thriller bewegt sich dicht an den heutigen Realitäten und ihren (Radikalisierungs-)Möglichkeiten. Er ist hochaktuell – wurde bisher aber, wie mir scheint, nur unterproportional wahrgenommen. Rezensionen sind fast keine zu finden, erst recht keine Platzierung auf einer Bestsellerliste. (Weiteres zu dem Roman unter (3))
Bei der Feierstunde zum Tag des Peacekeepers 2017 in Berlin sprach der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka. Er wirkte bei dem Studienprojekt „Krisenfrüh-erkennung durch Literaturauswertung“ am Beispiel Boko Haram /Nigeria von Prof. Jürgen Wertheimer mit. Mit einem „Mapping von Emotionen und Narrativen“ konnten hier Beiträge zur Krisenfrüherkennung erbracht werden. Dass auch Thriller-Literatur den Blick für mögliche Entwicklungs- und Krisenpfade und -szenarien schärfen kann, zeigte 2012 exemplarisch der Technik-Thriller Blackout“ von Marc Elsberg. Oder der Bestsellerautor von Politthrillern, Tom Clancy, mit seinem letzten Roman „Command Authority – Kampf um die Krim“:
(1) Wie Tom Clancy die Krim-Krise vorhersah, von Thomas Wörtche, 2011.2014, Deutschlandfunk, https://www.deutschlandfunkkultur.de/nachgelassener-roman-wie-tom-clancy-die-krim-krise-vorhersah-100.html
Schon ein Jahr vor dem Konflikt in der Ukraine beschrieb Tom Clancy ein ganz ähnliches Szenario in seinem letzten Thriller. Nun erscheint „Command Authority“ aus Clancys Nachlass und offenbart das realpolitische Gespür des Autors.
„Wenn ich will, kann ich in zwei Wochen Kiew einnehmen“, soll Wladimir Putin Anfang September in einem Telefonat mit dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso gesagt haben. Noch hat er es nicht getan. In „Command Authority“, einem neuen, nachgelassenen Roman von Tom Clancy, sieht das allerdings zunächst ganz anders aus – und in diesem Thriller, der den Untertitel „Kampf um die Krim“ hat, kann man auch nachlesen, warum es letztendlich doch (noch?) keinen Krieg zwischen der NATO und Russland gegeben hat.
„Command Authority“ stammt aus dem Jahr 2013, am 1. Oktober 2013 ist Tom Clancy allerdings gestorben. Wie hoch also der Anteil des als Co-Autor angeführten Mark Greaney ist, soll die Clancy-Philologie herausfinden. Bemerkenswert ist allerdings, wie Clancy die „Ukraine-Krise“ schon mindestens ein Jahr vor der militärischen Eskalation zum Hintergrund eines seiner dickleibigen Polit-Thriller um seine Helden Jack Ryan senior und junior macht.
Putin heißt bei Tom Clancy Walerij Worodin
Putin heißt bei Clancy nicht Putin, sondern Walerij Worodin, aber Worodin ist Putin. Von der gleichen Physiologie und Physiognomie, mit dem gleichen KGB-Hintergrund, mit dem gleichen populistischen Charme. Am Anfang des Romans versucht Russland, Estland zu überrennen, wird aber von ein paar tapferen NATO-Truppen, die natürlich Amerikaner sind, gestoppt.
Aha, sagt sich Worodin, testen wir mal, was passiert, wenn wir uns die Krim zurückholen, die historisch sowieso russisch ist, und schauen wir weiter, was passiert, wenn wir die östlichen Teile der Ukraine destabilisieren und schließlich direkt auf Kiew zielen. Die Destabilisierung der Ukraine erfolgt mithilfe eingeschleuster „prorussischer“ Aktivisten, mit hohem Propaganda-Aufwand und materiellen Versprechungen an die nicht-ukrainischen Bevölkerungsanteile und setzt auf ein unentschlossenes und zögerliches Europa.
Clancys Worodin will das alte sowjetische Imperium wiederherstellen und dadurch mit seinen Spießgesellen im Kreml ungeheure Reichtümer anhäufen. Deswegen scheut er auch nicht, direkt mit dem Organisierten Verbrechen zu kooperieren, das für ihn die Dreckarbeit macht. Als die Amerikaner das aber herausbekommen, haben sie endlich den Hebel gefunden, um Worodin zu stoppen. Das wiederum hat mit einer alten Story zu tun, die mehr oder weniger Putins/Worodins Aufstieg zur Macht nachzeichnen soll. (…)
(2) „Der Präsident“ von Sam Bourne: Reise ans Ende der Macht
Kommt einem bekannt vor: In Sam Bournes Thriller „Der Präsident“ übernimmt ein Populist das höchste Staatsamt der USA und bringt die Welt an den Rand eines atomaren Krieges. Von Rolf Brockschmidt , Tagesspiegel, 09.10.2017, https://www.tagesspiegel.de/kultur/reise-ans-ende-der-macht-5504821.html
„Es begann in der Nacht, als der Präsident das Ende der Welt einleiten wollte.“ So lautet der erste Satz von Sam Bournes Thriller „Der Präsident“. Ein populistischer US-Präsident will nachts den Nuklearangriff auf Nordkorea befehlen – was zunächst verhindert werden kann. Der Stabschef des Weißen Hauses ist alarmiert, ebenso der Verteidigungsminister. Beide dienten noch der alten Regierung. Ebenso Maggie Costello, eine Mitarbeiterin der Rechtsabteilung, die ebenfalls dem alten Präsidenten loyal ergeben war und auf ihrem Posten ausharrt, so lange es geht, um Schlimmeres zu verhindern. Ihr Chef, Crawford „Mac“ McNamara, ist der Chefberater des Präsidenten und ein Kumpan aus alten Zeiten.
Das kommt einem alles bekannt vor. Sam Bourne hat sich wenig Mühe gegeben, das Personal seines Thrillers groß zu verfremden oder neu zu erfinden. Fiktion und Realität liegen in diesem Thriller dicht beieinander. Natürlich gleichen der Präsident und sein Chefberater Donald Trump und Steve Bannon. Aber der „Der Präsident“ ist kein Sachbuch, sondern ein Roman. Trotzdem: Es wird einem schwindelig, wenn diese Fiktion nur ansatzweise die Realität wiedergibt.
„Geschichte berichtet, wie es gewesen ist. Erzählung spielt eine Möglichkeit durch“, sagt Alfred Andersch – und so geht es einem bei der Lektüre auf Schritt und Tritt. Bourne entwickelt ein höchst spannendes Spiel um Treue und Verrat. Darum, was geht in einer Demokratie und was nicht. Ist der Tyrannenmord zu rechtfertigen? Gelten die Gesetze für alle – auch für die Guten? Das Ende dieses in jeder Hinsicht erhellenden Romans soll hier nicht verraten werden – er ist auch ohne die aktuellen Anspielungen mitreißend bis zur letzten Seite. Bourne weiß, wovon er schreibt. Hinter seinem Namen verbirgt sich der englische Journalist Jonathan Freedland, der lange für den „Guardian“ aus den USA berichtet hat.
(3) Abaddon – Der Schritt zum Abgrund, Hans-Ulrich Jörges / Axel Vornbäumen, Köln Lübbe 2023
„Was geschieht, wenn zwei skrupellose Politiker zu Verbündeten werden? Die Welt im Jahr 2025: Donald Trump ist erneut amerikanischer Präsident und schließt mit Wladimir Putin einen geheimen Pakt: Auf einem Gipfel in Kairo tritt Trump Europa an den russischen Präsidenten ab, holt seine außerhalb Amerikas stationierten Truppen heim und verlässt die NATO. Putin lässt dem Amerikaner dafür freie Hand bei seinem Kampf gegen China.
Den Kontakt zwischen Putin und Trump halten hinter den Kulissen zwei persönliche Abgesandte der Präsidenten, die ein besonderes Vertrauensverhältnis aufbauen: Matt Sandler und Anatoli Rykow. Sie schwanken zwischen Loyalität und Widerstand, denn immer stärker erweist sich der Pakt von Kairo als ein verhängnisvolles Bündnis des Bösen. Gelingt es den beiden, die Welt vor einem Inferno zu bewahren, oder sind sie selbst nur Figuren in einem Spiel, bei dem die Spieler bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen?
Ein Thriller, der an die Abgründe unbegrenzter Macht führt. Und darüber hinaus.“
Thriller über die Wiederwahl: Hans-Ulrich Jörges: „Wenn Trump die Wahl gewinnt, dann gnade uns Gott“, BZ – Die Stimme Berlins, 26.04.2023, https://www.bz-berlin.de/unterhaltung/wenn-trump-die-wahl-gewinnt-dann-gnade-uns-gott
Gabor Steingart, Interview mit Journalist Hans-Ulrich Jörges überseinen apokalyptischen Thriller „Abaddon“, Podcast auf The Pionneer, 23.05.2023, 25 Min. Im Interview: Hans-Ulrich Jörges, ehemaliges Mitglied der STERN Chefredaktion, spricht mit Gabor Steingart über seinen apokalyptischen Thriller “Abaddon“ und liefert zudem eine schonungslose Bestandsaufnahme rund um den hiesigen Journalismus. https://www.thepioneer.de/originals/thepioneer-briefing-business-class-edition/podcasts/journalist-hans-ulrich-joerges-ueber-seinen-apokalyptischen-thriller-abaddon
Abaddon: Aus der Bibel, der Offenbarung des Johannes zum Weltuntergang, der Engel des Abgrunds. „Was passiert mit der Welt, wenn Donald Trump Präsident wird. Damit beschäftigt sich heute so gut wie keiner. (…)“
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.06.2023, https://www.perlentaucher.de/buch/hans-ulrich-joerges-axel-vornbaeumen/abaddon.html
So abwegig ist das Szenario nicht, das Hans-Ulrich Jörges und Axel Vormbäumen in ihrem Roman entwerfen, findet Rezensent Pitt von Bebenburg: Trump wird wiedergewählt und tritt aus der NATO aus, woraufhin Matt Sandler und Anatoli Rykow, die beiden erfundenen Berater von Trump und Putin, die Interessen der Machthaber durchzusetzen versuchen und sich dabei in ihrem Privatleben wie in der Weltgeschichte „verheddern“, wie Bebenburg wiedergibt. Wie die beiden Autoren und Journalisten aus der Perspektive der beiden Berater von verhängnisvollen Video-Calls der Machthaber erzählen und dabei ihr weltpolitisches Wissen einfließen lassen, findet der Kritiker meistens spannend und „aufschlussreich“, manchmal auch etwas zäh. Auch, dass die Geschichte sehr männerzentriert erzählt wird – gewaltvoll, derb und mit Frauen als Randgestalten – gefällt ihm weniger gut. Trotzdem ein unterhaltsamer, einen „Sog“ entwickelnder Thriller, der hoffentlich Fiktion bleibt, meint er.
Abaddon – Der Schritt zum Abgrund, Gelesen von Ulrich Matthes, Lübbe Audio, 10:03 Min., https://www.youtube.com/watch?v=NSHVlbQuESs