In der 2. Hälfte der 90er Jahre wurde immer deutlicher, wie wichtig eine professionelle zivile Komponente bei Krisenengagements ist.
20 Jahre Beirat Zivile Krisenprävention – Auszüge aus persönlichen Aufzeichnungen[1] und Berichten zu den Anfängen des Beirats im Kontext des Politikfeldes ZKP (I) von Winfried Nachtwei, MdB 1994-2009 (Mai 2025)
VORAB ZUR ENTSTEHUNG DES AKTIONSPLANS ZUR ZIVILEN KRISEN-PRÄVENTION, KONFLIKTLÖSUNG UND FRIEDENSKONSOLIDIERUNG DER BUNDESREGIERUNG, 12.05.2004, Bundestagsdrucksache 15/5438,
2002, Oktober, Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, (22.9. Bundestagswahlen; Koalitionsverhandlungen Außen 3.-8.10. im Team mit Claudia Roth, Uschi Eid, W.N., Joschka Fischer, A. Schmillen, K. Scharioth; 22.10. Wahl des Bundeskanzlers)
Kapitel Außen- und Sicherheitspolitik, Abschnitt 5 zu Ziviler Krisenprävention S. 74
„Zivile Krisenprävention und Konfliktbewältigung bleiben für die Bundesregierung Eckpfeiler ihrer internationalen Stabilitäts- und Friedenspolitik. Die Stärkung der Zivilgesellschaften und der friedensbereiten Kräfte in Konfliktregionen ist dabei ein elementarer Bestandteil jeglicher Konfliktprävention und Krisenbewältigung. Die Bundesregierung wird die Infrastruktur zur Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung weiter ausbauen und die Friedensforschung sowie die deutsche Handlungsfähigkeit im Rahmen internationaler Friedenseinsätze stärken. Sie wird das jüngst gegründete „Zentrum für Internationale Friedenseinsätze“ zu einer vollwertigen Entsendeorganisation ausbauen (und die sozialen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entsendung deutscher Zivilexperten und Polizisten in Friedensmissionen der VN, EU, OSZE und anderer Regionalorganisationen verbessern).
Um zivilgesellschaftliche und lokale Friedensbemühungen in Konfliktregionen wirksamer werden zu lassen, wird die Bundesregierung den erfolgreich gestarteten Zivilen Friedensdienst sowie das im Jahre 2000 begründete Förderungsprogramm zur Krisenprävention und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Friedensbemühungen in Konfliktregionen weiter ausbauen. (Aufbauend auf dem Gesamtkonzept der Bundesregierung zur “Zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ wird die Bundesregierung einen ressortübergreifenden Aktionsplan zivile Krisenprävention erarbeiten, der der Ziele und Schritte zu ihrem systematischen Aufbau festlegt.)
Die Bundesregierung wird einen ressortübergreifenden Aktionsplan zur „Zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ erarbeiten. (Dabei ist auf eine Ausgewogenheit der militärischen, zivilen und polizeilichen Säulen von Friedenseinsätzen zu achten. Die Aufgaben der Institutionen- und Staatsbildung werden einzunehmend wichtiges Feld der Krisenprävention und -bewältigung.)“
Anm.: Bis auf die kursiven Passagen wurde der Textvorschlag der Grünen vom 3.10.2002 unverändert übernommen. Er war an keinem Punkt strittig. Der Vorschlag der SPD vom 3.10. zur Außenpolitik sprach ZKP in der Einleitung an: „Die Bundesregierung wird sich mit aller Kraft um die Entwicklung und Anwendung von wirksamen Strategien und Instrumenten der Krisenprävention und der friedlichen Konfliktregelung bemühen.“
2003, 29.1. Ausführliches Gespräch mit Plattform ZKB zum geplanten Aktionsplan (Kladde XVI)
8.2. Vorstellung des ZIF bei der Fachgruppe Ostpolitik der Bundestagsfraktion B`90/Grüne durch Winrich Kühne
25.2. Besuch beim ForumZFD in der Wesselstr. /Bonn: Aktionsplan, Notstand für AG Qualifizierung, Eröffnung ZFD-Ausstellung in Münster, Peace Counts, ZFD in Deutschland — Irakkrieg und andere Akutkonflikte als dominierender und absorbierender Kontext —
16.6. Bericht und Aussprache zur UN Commission on Peace and Crisis Prevention (UNCOPAC) (Kladde XVII)
18.6. SWP-Anhörung zum Aktionsplan ZKP
21.3. 1. Ausgabe meiner Persönlichen Meldungen zur Friedens- und Sicherheitspolitik, Nr. 11 zum Aktionsplan (auf www.nachtwei.de
18.7. Besuch bei Martin Fleischer, Referatsleiter GF-02 (Globale Fragen): er koordiniert den Arbeitsprozess zum Aktionsplan (Kladde XVII)
25.7.2003 (Persönliche Meldungen zur Friedens- und Sicherheitspolitik (F+S) 2003-07) Aktionsplan Krisenprävention: Krisenprävention und Zivile Konfliktbearbeitung gehören zu den Markenzeichen rot-grüner Außenpolitik, die Friedenspolitik sein will. Die Bündnisgrünen waren es, die für die jeweiligen Festlegungen in den Koalitionsvereinbarungen von 1998 und 2002 sorgten. Nach den ersten Schritten zum Aufbau einer Infrastruktur Zivile Konflikt-bearbeitung (Ausbildung ziviles Friedenspersonal/ Zentrum Internationale Friedenseinsätze ZIF, Projektförderung/zivik, Krisenprävention in der Entwicklungszusammenarbeit/Ziviler Friedensdienst + FriEnt, Friedensforschung/Deutsche Stiftung Friedensforschung, Polizeimissionen/CIVPOL) soll laut Koalitionsvereinbarung von 2002 ein ressortübergreifender „Aktionsplan Krisenprävention“ aufgestellt werden. Hierüber soll die Politik der Krisenprävention kohärenter und wirksamer und sollen die dazu notwendigen Fähigkeiten systematisch weiterentwickelt werden. Inzwischen arbeiten zehn Ressorts daran. Am 18. Juni veranstaltete die Stiftung Wissenschaft und Politik/swp dazu eine Anhörung mit Akteuren der Zivilgesellschaft. Schon jetzt deutet sich an: Kein anderes Land hat bisher einen solchen konkreten und ehrgeizigen Aktionsplan für internationale Krisen- und Gewaltvorbeugung! Die anschließende Liste von Projekten, die das Auswärtige Amt auf den Gebieten Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung fördert, vermittelt einen Eindruck von der Breite der Aktivitäten. Die Berichte der Bundesregierung zur Zusammenarbeit mit den VN (BT-Drucksache 14/9466), über ihre Menschenrechtspolitik (14/9323), über ihre Entwicklungspolitik (14/6496), ihr jüngster Abrüstungsbericht geben weitere detaillierte Überblicke.
8.9. Botschafterkonferenz, Tisch D zu „Krisenprävention durch Aufbau demokratischer Institutionen, Sicherheitsstrukturen und Zivilgesellschaft sowie stabilisierender Wirtschafts-strukturen am Beispiel Afghanistan (sehr selbstkritische Stimmen)
10.9. Parlamentarischer Abend des ForumZFD zu ZFD in Deutschland in der Parlamentarischen Gesellschaft, 8-10 MdB aus allen Fraktionen
24.9. Gespräch über ZFD zwischen Vertretern des ZFD und Angelika Beer (Bundesvorsitzen-de Grüne), StM` Kerstin Müller, Martin Fleischer (AA), W.N.
25.9. Einjahresempfang des ZIF: An dem breiten Spektrum der Gäste zeigt sich der enorme Fortschritt des ZIF.
23.10. UNCOPAC-Runde: Marin Fleischer (AA) ausführliche zu Aspekten des geplanten Aktionsplans: Beauftragter für Krisenprävention, Ressortkreis, Ländergesprächskreise, Ansprechstelle für Zivilgesellschaft
12.11. Unterrichtung zum Aktionsplan durch StM` Kerstin Müller (AA) vor nur fünf MdB: Bis 5.12. Ressortabstimmung, Anfang 2004 durch`s Kabinett. à Vorschläge in nächsten Wochen!!
16.10.-2.11. Studienfahrt Friedensarbeit auf dem Balkan – ZKB in Kosovo – Mazedonien, http://nachtwei.de/druck/druck%20Friedensarbeit%20auf%20dem%20Balkan.htm
13.11. Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung: Meine Nachricht, dass unser Haushälter Alex Bonde durchgesetzt habe, dass 1 Mio. aus dem Einzelplan 14 (Verteidigung) an die DSF gehen, findet ein freudiges Echo. (Es war ein „Deal“ angesichts der geplanten Aufstockung der Militärforschung um 20 Mio. Hier hatten wir Skandalisierung angedroht.)
2004
26.1. Anmerkungen zum Entwurf des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ vom 10.11.2003, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=77&aid=1281 , (Kladde XVIII)
17.2. Nach dem Besuch des CIMIC-Bataillons 100 in der Reihe “Ernstfall Frieden“ Vortrag zu „Alternativen zum Krieg – Instrumente der Krisenprävention und zivilen Konflikt-bearbeitung“: gut besucht, gut in Fahrt, bestes Echo – lauter Aha-Erlebnisse.
19.2. Anruf von Michael Gleich (Peace Counts): Bisher sei bei Peace Counts unglaublich viel erreicht worden. Große Akzeptanz bei Medien, die gern was nehmen, aber selbst keine Leute rausschicken können. Kaum ein AA-Projekt habe so viel Resonanz gefunden.
13.3.2004 (F+S 2004-03): Tagung des Fachbereichs Außenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen in Hannover. In der BAG Frieden wird u.a. der Aktionsplan Krisenprävention der Bundesregierung vorgestellt. Er beinhaltet eine umfassende Bestandsaufnahme krisenpräven-tiver Instrumente und Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene und formuliert über 160 „Aktionen“. Er soll Ende April vom Kabinett verabschiedet werden. Damit verfügt die Bundesrepublik auf dem Feld der zivilen Krisenprävention und Friedenskonsolidierung über ein Arbeitsprogramm, das weltweit seinesgleichen sucht. Um aber auch umgesetzt werden zu können, bedarf es wachsender Friedensinvestitionen. Die aber müssen noch erkämpft werden.
15.-17.3. Reise Polizeimissionen in Bosnien-Herzegowina und Kosovo mit MdB-Kollegin Silke Stokar und Mitarbeiter Tobias Münchmeyer: Wg. Ausbruch landesweiter gewalttätiger Unruhen vorzeitig beendet. (Reisebericht: Polizeimissionen auf dem Balkan – Gewaltexplosion im Kosovo. Besuch bei EUPM und UNMIK Police 15.-17. März 2004, http://nachtwei.de/downloads/civpol_eu_un_04_2004.pdf
12.5. Kabinettsbeschluss zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung und zum Abrüstungsbericht 2003 (Kladde XVIII)
Wir erfahren erst mittags über AA-Presseerklärung davon – und kommen deshalb mit unserer PE zu spät. Nachdem der Kabinettsbeschluss mehrfach verschoben wurde, AM Fischer zzt. in den USA ist, sind wir heute überrascht. Offenbar wurde er Aktionsplan „nur“ von StM` Müller vorgestellt. Vorschläge, die Vorstellung hochrangig und ressortübergreifend zu gestalten, wurden nicht aufgegriffen. Die Chance, den Aktionsplan als Leuchtturm herauszustellen, wurde vertan. Außerdem konstatiert Staatsministerin K. M., dass es nicht mehr Mittel gebe. Das wirft einen kräftigen Glaubwürdigkeitsschatten auf das ganze Unternehmen. Die Wirklichkeit ist noch düsterer: z.B. die 5%-Kürzungen beim ZFD, z.B. fehlende Stellen für Polizeimissionen, z.B. das Missverhältnis von Kräftedefinitionen bei militärischer Stabilisierung, aber null Kräftedefinition auf politischer und ziviler Ebene. Bei Bw-Einsätzen steht hingegen selbstverständlich alles Geld zur Verfügung. Und für den Eurofighter 128 Mio. / Flieger, insgesamt 23 Mrd.
-> Anfrage an Bundesregierung wg. Ausgaben Krisenprävention
-> Brief an Joschka und Fraktionsvorstand
-> Antrag zur Unterrichtung des Bundestages (F+S 2004-06)
Der ressortübergreifende Plan verankert und verstärkt die zivile Krisenprävention als Querschnittaufgabe in der gesamten Politik der Bundesregierung. Er ist ein großer Schritt zu mehr Kohärenz, VN-Fähigkeit und friedenspolitischer Wirksamkeit. Im internationalen Vergleich ist dieser Aktionsplan einmalig. Für seine Umsetzung ist eine verbesserte Ausstattung mit Personal und Ressourcen unabdingbar. In den Medien stieß der Aktionsplan kaum auf Resonanz. Nichtsdestoweniger können wir Grüne stolz auf den Aktionsplan sein: Auf unsere Initiative hin kam das Vorhaben in die Koalitionsvereinbarung. Danach begleitete ich den Erarbeitungsprozess, dessen maßgeblicher Koordinator Martin Fleischer/AA war. Ihm ist für seine Arbeit besonders zu danken! (vgl. meinen Kommentar zum beschlossenen Aktionsplan: Großer Fortschritt an Friedensfähigkeit, http://nachtwei.de/pdf/ak_plan_ziv_wn.pdf
19.05. Schreiben von W.N. an AA-Staatsekretär Dr. Klaus Scharioth
„Am 12. Mai billigte das Bundeskabinett den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“. Wie Sie sich erinnern, hatte ich mich bei den Koalitionsverhandlungen für dieses Vorhaben eingesetzt. Das Auswärtige Amt machte sich sofort an die Umsetzung – und schaffte gemeinsam mit den vielen anderen Ressorts sowie zivilgesellschaftlichen Experten ein Dokument, das die Querschnittsaufgabe Krisenprävention in ihrer ganzen Breite entfaltet, eine beeindruckende Bestandsaufnahme liefert und konkrete Aktionen zur Förderung effektiver Krisenprävention benennt. Mit dem Aktionsplan ist der Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes ein großer Wurf gelungen, der international wohl einmalig ist.
Hierfür möchte ich Ihrem Haus und den beteiligten Mitarbeitern, angefangenen bei Herrn Martin Fleischer als dem verantwortlichen Projektkoordinator, auch im Namen meiner Fraktion meine hohe Anerkennung und herzlichen Dank aussprechen.
Im nächsten Schritt wird es Aufgabe des Parlaments sein, die Umsetzung und Weiterentwicklung des Aktionsplans zu unterstützen und zu fördern. Mir ist die düstere Haushaltslage sehr wohl bewusst. Zugleich bin ich aber der festen Überzeugung, dass etliche wichtige Aktionen ohne einen Zuwachs an Personal und Ressourcen nicht umzusetzen sind. Als „Verteidiger“ sehe ich zudem eine strategische Lücke: Während mit der Transformation der Bundeswehr umfassende Fähigkeiten für Stabilisierungseinsätze definiert werden (bis zu 14.000 Soldaten in bis zu fünf parallelen Operationen über mehrere Jahre), fehlt uns für solche in der Regel multidimensionalen Einsätze eine adäquate Kräfteabschätzung auf der polizeilichen und zivilen Seite. Hier sehe ich erheblichen Klärungs- und Handlungsbedarf. Wir wollen dazu unseren Beitrag leisten.
Vor etwas mehr als einem Jahr trafen Sie auf meine Bitte hin mit dem Journalisten Michael Gleich zusammen, der sein Medienprojekt „Peace Counts“ vorstellte: attraktive und spannende Friedensberichterstattung angesichts der Dominanz von Gewalt- und Kriegsberichterstattung. Dank der Förderung durch das AA konnten etliche Einzelvorhaben mit großem Erfolg umgesetzt werden. Die Berichterstattung über „Friedensmacher“ vervielfachte sich meiner Schätzung nach und erreichte auch Medien, die ein breiteres „Normalpublikum“ ansprechen. In vielen Fällen war es beste Öffentlichkeitsarbeit für vom AA im Rahmen des FEM-Titels geförderte Projekte. Das ist umso bedeutsamer, als diese Projekte ja sonst ohne eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit auskommen müssen und deshalb wie Lichter unter dem Scheffel wirken. (…)
19.6. 10 Jahre Auslandseinsätze der NRW-Polizei im Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW in Brühl; vgl. mein Bericht „Diamanten deutscher Außenpolitik“, http://www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&carid=124&aid=507
19.7. (F+S 2004-07) Abschied von Martin Fleischer, Referatsleiter: Im Auswärtigen Amt war er seit Jahren zuständig den Aktionsplan, für zivik u.a. Damit war er ein wesentlicher Architekt der Infrastruktur Zivile Konfliktbearbeitung. Er wechselt jetzt an die Deutsche Vertretung bei den VN in New York. Sein Nachfolger ist der bisherige dt. Botschafter in Kabul Eberle.
27.8. (F+S 2004-10): Gespräch mit dem neuen AA-Beauftragten für Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung in der Abteilung Globale Fragen (GF) Dr. Ortwin Hennig, über den Aktionsplan Krisenprävention und nächste Umsetzungsschritte.
25.9. (F+S 2004-10): Jährliches Rückkehrertreffen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze (ZIF) in Berlin: Was ist im Kosovo falsch gelaufen? Die Erfahrungs-berichte der vielen Kosovo-Erfahrenen bringen viele neue Erkenntnisse über die bisherige Auswertung hinaus (Akteursanalyse der Unruhen, strukturelle Mängel der internationalen Akteure). Gespräch mit auslandserfahrenen Polizeibeamten über eine zentrale deutsche Fähigkeitslücke: So gut und angesehen die deutschen Beiträge zu internationalen Polizeimissionen sind, so wenig, d.h. gar nichts, kann Deutschland bisher wegen des Freiwilligkeitsprinzips zu geschlossenen Einheiten in internationalen Polizeimissionen beitragen. Statt die Bundeswehraufgaben noch mehr ins Polizeiliche (riot control) auszuweiten, müssen die bei BGS und Länderpolizeien vorhandenen Fähigkeiten noch breiter für Auslandseinsätze nutzbar gemacht werden.
22.10. (Kladde XIX) Zwischenbilanz von Michael Gleich zu Peace Counts nach zwei Jahren: Bisher 25 Dokumentationen, reine Druckauflage > 15 Mio. Ohne die AA-Starthilfe und Subvention hätte das nicht geklappt. SZ zahlt für ganze Seite 500 Euro. Perspektiven für 2005: CD-Rom, Fotoausstellung in Berlin, Buch bei Hanser, Verfilmung läuft.
24.11. (F+S 2004-12): Bundestag: Haushaltsdebatte und Verabschiedung der Einzelpläne Auswärtiges, Verteidigung (Rede), Entwicklung. Im Rahmen der parlamentarischen Haushaltsberatungen gelingt uns trotz schwierigster Haushaltslage, einige schlimme Kürzungen im Regierungsentwurf wieder rückgängig zu machen und sogar einige Aufstockungen durchzusetzen: Die ODA-Quote wird um 56 Mio. € erhöht, die humanitäre Hilfe außerhalb der Entwicklungshilfe + 13 Mio., Demokratisierungs-/Ausstattungshilfe/ Minenbeseitigungsprogramme + 2,5 Mio., AA-Beitrag an die VN + 20 Mio., BMZ-Beitrag + 10 Mio., Unterstützung von Maßnahmen der Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung (FEM-Titel, entscheidend für zivik-Projekte und den Aktionsplan Krisenprävention) + 11,41 Mio., Ziviler Friedensdienst + 0,5 Mio.
21.11. (F+S 2004-12): Vorstellung des „Aktionsplans Krisenprävention“ bei der Jahresmitgliederversammlung des Forum Ziviler Friedensdienst in Kassel
9.12. (F+S 2004-12): Besuch des VN-Ausbildungszentrums der Bundeswehr in der Infanterieschule Hammelburg mit Claudia Roth: Deutlich wird das breite Anforderungs-spektrum in Friedenseinsätzen, wo eindimensionale Kämpfer völlig überfordert und fehl am Platz wären. Bei einer Übung „Geiselbefragung“ im Rahmen eines Kurses für Journalisten erleben wir eindringlich die Dynamik und Risiken solcher Übungen, die absolut nur von Profis unter strenger Kontrolle, mit psychologischer Begleitung und in klaren Grenzen durchgeführt werden dürfen. Gespräch mit Soldaten, die gerade in Hammelburg auf ihren ISAF-Einsatz in Kabul + Kunduz ab Januar vorbereitet werden. (In Kladde XIX viereinhalb Seiten)
26.12. (F+S 2004-12 und F+S 2005-03): 24.-28.12. Wahlbeobachtung in der Ukraine bei der Präsidenten-Stichwahl. Ich habe mich für das wenig Juschtschenko-freundliche Odessa gemeldet und erlebe in „meinen“ Wahlbezirken eine insgesamt korrekte Wahl. Die Präsenz internationaler Wahlbeobachter ist vor allem auch wichtig als Rückenstärkung für die vielen einheimischen Beobachter. Auf dem Unabhängigkeitsplatz erfahre ich die Stärken, die Buntheit und Lebendigkeit der Orange-Revolution. (Bericht Januar 2006, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=88&aid=1274 ; 26.12. Tsunami in Südasien)
2005
31.1. (F+S 2005-03): Gespräch über Auslandseinsätze der Polizei mit dem Inspekteur der NRW-Polizei und Vorsitzendem der AG IPTF, Dieter Wehe und MdL Monika Düker im NRW-Innenministerium.
12.-13.2. Münchener Sicherheitskonferenz „Frieden durch Dialog“: Mit den Reden von Kofi Annan, Kanzler Schröder, Außenminister Fischer und Hillary Clinton gibt es so viel Fürsprache für umfassende und vorbeugende Sicherheitspolitik wie nie zuvor auf der Konferenz. Die überzogenen Reaktionen auf den Schröder-Vorschlag zur Überholung des transatlantischen Verhältnisses offenbarte aber zugleich eine sehr selbstbezogene Hyperempfindlichkeit der NATO-Gemeinde. 15-Minutengespräch mit VN-Generalsekretär Kofi Annan in meiner Funktion als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN)
Vortrag zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention bei der Friedenskonferenz der Petra-Kelly-Stiftung in München: Sehr gute Resonanz auf das ambitionierte und international einmalige Projekt. Übereinstimmend sehen wir als Handicap die unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung.
9.3. Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung: G-8-Initiative „Globale Partnerschaft“, ein kaum bekanntes, aber sehr dringliches Großprojekt der Abrüstungszusammenarbeit. Für das Projekt sind bis 2012 20 Mrd. US-$ veranschlagt. Deutschland hat 1,5 Mrd. $ zugesagt. Die Schwerpunkte sind: Entsorgung der außer Dienst gestellten russischen Atom-U-Boote, die sich in einem schlimmen Zustand befinden; Chemiewaffenvernichtung; nukleare Sicherheit. Mit Hilfe der Bundesrepublik läuft inzwischen die einzige Chemiewaffenvernichtungsanlage für Hautkampfstoffe im südrussischen Gorny. Eine zweite Anlage wird mit deutscher Hilfe errichtet. Geplant ist schließlich auch eine Anlage zur Vernichtung von Nervenkampfstoffen. Unglaublich ist die nukleare Unsicherheit, Verantwortungslosigkeit und der Verseuchungsgrad an etlichen Orten des russischen Nuklearkomplexes. (vgl. Broschüre „Die Globale G8-Partnerschaft. Deutsch-Russische Zusammenarbeit“, hrg. vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Mai 2004, www.bmwa.bund.de)
Gesprächsrunde mit dem ukrainischen Präsidenten Juschtschenko bei Bundestagspräsident Thierse mit vier MdB-Wahlbeobachtern. Mit dabei Wladimir Klitschko. Bei der persönlichen Vorstellung erwähne ich meine Wahlbeobachtung am 26. Dezember in Odessa. Darauf er: „brrravo, brrravo!“ Rede des ukrainischen Präsidenten im Bundestag: Nachdem das historische Ereignis der orangenen Revolution ab 27. Dezember in den Schatten der Tsunami-Katastrophe und dann der Visa-Affäre geriet, erhält der „Mauerfall in der Ukraine“ jetzt endlich wieder die gebührende Aufmerksamkeit.
(10.3. Lauter Konfliktthemen zzt. mit der eigenen Regierung: MEADS, Wittstock, Rüstungsexporte, EU-Waffenembargo ggb. China, Wehrpflicht)
1.-3.4. (F+S 2005-05): Vortrag über „Evaluation in der Zivilen Konfliktbearbeitung: Erwartungen und Möglichkeiten aus der Sicht der Politik“ auf der Jahrestagung der „Plattform Zivile Konfliktbearbeitung“ (ZKB) in der Evangelischen Akademie Loccum unter dem Thema „Evaluation in der Zivilen Konfliktbearbeitung“. Mit 120 TeilnehmerInnen ist die Tagung so gut wie nie besucht. Die Vorträge und Diskussionen sind geprägt von einer ausgesprochen nüchternen und selbstkritischen Grundhaltung und hohen Eigenanforderungen an relevante und effektive Zivile Konfliktbearbeitung. Kritisiert werden Projekte, die den politischen Konfliktkontext ausblenden und dadurch im Hinblick auf tatsächliche Friedens-förderung irrelevant werden können. Die Tagung macht augenfällig, wie sehr unterschiedlich doch das Bemühen um Evaluation, um Wirksamkeitsprüfung verteilt ist: Stark bei der relativ mager ausgestatteten ZKB, schwach bis kaum erkennbar bzw. nachvollziehbar auf den höheren politischen Etagen oder bei kostspieligen Militäreinsätzen.
7.4. Gemeinsame Fraktionssitzung von Europa-Grünen und Bundestagsfraktion im Europaparlament in Brüssel: Der von mir vorstellte Aktionsplan Zivile Krisenprävention wird als vorbildlich für die EU bewertet.
14.4. 2. Verhandlungsrunde mit Staatssekretär Dr. Eickenboom/BMVg über offene Fragen des Wehrressorts. Vereinbarungen werden getroffen zur beschleunigten und erweiterten Ausmusterung und Vernichtung von Antifahrzeugminen, die Zivilpersonen gefährden können, von Streumunition ohne Selbstzerlegemechanismus und mit einer Blindgängerquote über 1%, sowie über einen „substanziellen Beitrag“ des BMVg zu Projekten des Aktionsplans Zivile Krisenprävention. Das sind wichtige Teilerfolge in humanitär besonders wichtigen Abrüstungsbereichen und bei der Stärkung ziviler Friedensfähigkeiten, die bisher im politischen „Normalbetrieb“ nicht durchsetzbar waren. (vgl. mein Hintergrundpapier dazu) Pressemeldungen, wonach das alles sowieso geplant gewesen sei, sind ausdrücklich falsch.
ZUM BEIRAT ZKP
Am 11. Mai 2005 fand im Stresemann-Saal des Auswärtigen Amt die konstituierende Sitzung des Beirats Zivile Krisenprävention (ZKP) statt. Teilnahme an der Sitzung mit Vertretern der Forschung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft als Gast (Fraktionsvertreter).Die Einrichtung des Beirats war im Aktionsplan mit den Aktionen 146, 147, 159 und 160 angekündigt worden. ( https://dserver.bundestag.de/btd/15/054/1505438.pdf )
– Begrüßung durch den Vorsitzenden des Ressortkreises, Botschafter Ortwin Hennig
– Unterrichtung über die bisherige Arbeit des Ressortkreises und seine Schwerpunktthemen (vier Leuchttürme: Verbesserung Schnittstelle early warning – early action, Verbesserung operativer Handlungsfähigkeiten, Verbesserung personeller Voraussetzungen, Verbesserung finanzieller Voraussetzungen); Aussprache (erste Frage: Gibt es Benchmarks, deren Erreichen gemessen wird?) Einführung in die Aufgaben des Beirats
– ZKP: Schwerpunkte aus Sicht der Zivilgesellschaft
Mitglieder des 1. Beirats:
Alexander Carius (Adelphi Research), Peter Croll (Direktor BICC), Dr. Tobias Debiel (IEF), Admiral a.D. Reiner Feist, Dr. Martina Fischer (Berghof Forschungszentrum), Dr. Jürgen Hambrink (GKKE), Hanns-Michael Holz (Deutsche Bank AG), Botschafter a.D. Dr. Wilhelm Höynck (1993-96 Generalsekretär der OSZE, „Pionier“ der ZKP), Dr. Ernst Kerbusch (FES Abteilung Internat. EZ), Sr. Stephan Klingebiel (DIE), Anja Kühne (Germanwatch), Prof. Dr. med. Korte, Heribert Löhr (Siemens AG, Verbindungsbüro Berlin), Dr. Stefan Mair (SWP), Dr. Hubert Mandery (BASF AG), Dr. Jochen Motte (VEM, Forum Menschenrechte), Peter Runge (VENRO), Angelika Spelten (Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, FriEnt´), Dr. Hans-Joachim Spanger (HSFK). Als Gäste Vertreter:innen der Fraktionen des Deutschen Bundes-tages (darunter W.N.).
Am Abend Podiumsdiskussion zum einjährigen Bestehen des Aktionsplans zivile Krisenprävention der Bundesregierung im Auswärtigen Amt mit den Staatssekretärinnen Kerstin Müller und Uschi Eid. Ca. 400 BesucherInnen zeigen, wie sehr der Aktionsplan inzwischen in der Fachöffentlichkeit angekommen ist und gerade auch bei Jüngeren auf hohes Interesse stößt. In der Presse spiegelt sich das bisher nicht wider. (Ausführlich Kladde XX; Vgl. Zwischenbilanz mit Vorschlägen für nächste Schritte „Gute Nachricht – keine Nachricht? Ein Jahr Aktionsplan, http://nachtwei.de/downloads/position/200505_1jahraktionsplan.pdf
7.6. Vortrag zu „Zivile Krisenprävention seit 1988: Förderung von Friedensfähigkeit und Kohärenz“ beim AK Sicherheitspolitik an der Uni Trier
21.6. (F+S 2005-06): Vortrag über „Zivile Krisenprävention“ bei der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik und Deutsch-Atlantischen Gesellschaft in Bremen: Zum ersten Mal wird bei einer Veranstaltung dieser bundesweiten und bundeswehrnahen Gesellschaft Zivile Krisenprävention thematisiert. Nach einer systematischen Einführung stelle ich verschiedene Maßnahmen und Instrumente ziviler Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung aus eigenem Erleben vor. Das Echo auf den bebilderten Werkstattbericht ist rundum positiv. Angeregt wird, diese vielen ermutigenden Ansätze von zivilem Friedenmachen auch in Schulen zu verbreiten. Großes Interview mit dem Weser-Kurier zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention und zur aktuellen politischen Situation (erschienen am 23.6.)
24.6. Gespräch mit Mitgliedern der Münsteraner Unterstützergruppe für den Zivilen Friedensdienst, VertreterInnen des Bundes für Soziale Verteidigung und des Bildungswerks Umbruch zur Umsetzung des Aktionsplans Krisenprävention.
29.6. (F+S 2005-07): Verteidigungsausschuss: (c) Beratung des Aktionsplans Zivile Krisenprävention der Bundesregierung. Das Ministerium nimmt ausdrücklich positiv zum Aktionsplan Stellung. Bei fast vierzig Aktionsempfehlungen (von ca. 160) ist die Bundeswehr eingebunden und z.T. sogar federführend für die Umsetzung. Das BMVg entsendet einen Oberst in den Ressortkreis und einen Admiral a.D. in den Beirat für zivile Krisenprävention. Für Vorhaben des Ressortkreises stellt das Ministerium nach Koalitionsabsprache (vgl. MEADS-Gespräche) 10 Mio. € zur Verfügung. Ausführlich nehme ich zum Aktionsplan Stellung. Im Herbst sollen die bisherigen Erfahrungen im Ausschuss behandelt werden. Der Ausschuss nimmt den Aktionsplan zustimmend zur Kenntnis.
20.7. Gespräch mit Botschafter Eberle, Leiter des Referats GF 02 in der AA-Abteilung Globale Fragen, VN, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu Fragen im Umfeld des Aktionsplans Krisenprävention. Aus dem Haushaltstitel dieses Referats werden friedenserhaltende Maßnahmen der VN und Afrikanischen Union, Maßnahmen zur Unterstützung internationaler Strafgerichtshöfe, der zivilen Säule der ESVP, zur Flankierung des israelischen Rückzugs aus dem Gaza-Streifen, das ZIF und zivilgesellschaftliche Maßnahmen (zivik) unterstützt.
Maßgeblich mitfinanziert wurde die zzt. (19.-21. Juli) im VN-Hauptquartier in New York tagende Weltkonferenz der „Global Partnership for the Prevention of Armed Conflict“ (GPPAC). Nach einem Vorbereitungsprozess, an dem über 1.000 Civil Society Organisations (CSO) in fünf Weltregionen teilnahmen, kamen zur ersten Weltkonferenz zu diesem Thema über 1.000 VertreterInnen von CSO`s zusammen und diskutieren in Panels und Workshops zu Konfliktverhütung und Peacebuilding, insbesondere Kapazitätsaufbau lokaler Partnerschaften, Gender-Aspekt, Afrika, Demilitarisierung, Demobilisierung und Reintegration, Sicherheitssektorreform, Kleinwaffen. Verabschiedet wird die Global Action Agenda „People Building Peace“. (www.gppac.net) Botschafter Hennig stellt in einem Panel den Aktionsplan zivile Krisenprävention der Bundesregierung vor.
23.7. Teilnahme an der kontroversen Podiumsdiskussion „Humanitäre Intervention – Menschenrechtsschutz mit kriegerischen Mitteln?“ sowie „Zivile Konfliktbearbeitung als Etikettenschwindel von Politik und Militär und zugleich trojanisches Pferd von Rot-Grün für die Friedensbewegung“, gemeinsame Veranstaltung von IPPNW und Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA) auf dem (ersten) Sozialforum in Deutschland 2005 in Erfurt. Ich bin der einzige beim Sozialforum auftretende rot-grüne Politiker. Christoph Krämer/IPPNW (AK Süd-Nord) verweist darauf, dass der Streit um „humanitäre Interventionen“ nicht nur zwischen Friedensbewegung und Regierung/Rot-Grün laufe, sondern auch innerhalb der Friedensbewegung. Im Streitgespräch mit Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung/IMI Tübingen) und vor allem beim Vortrag von Franz Iberl/BIFA und Christoph Marischka/IMI werden die enormen Dissense zwischen uns deutlich. Nach der Formel „Neoliberalismus schafft Armut, Armut schafft Bürgerkriege“ liegen die Ursachen für Armut, Kriege, „schwarze Löcher“ allein beim entfesselten Kapitalismus und den geostrategischen Interessen seiner privaten und staatlichen Akteure. „Humanitäre Interventionen“, auch UN-Friedenseinsätze, dienten allein der Absicherung dieser Ausbeutungsverhältnisse. Zivile Konfliktbearbeitung, darunter der Aktionsplan Zivile Krisenprävention, sei nichts anderes als Teil von Militärstrategien und mit diesen über zivil-militärische Zusammenarbeit verbunden. Zivile Konfliktbearbeitung sei zugleich ein „stiller Angriff auf die Friedensbewegung“ – und ich würde laut BIFA dabei quasi als „Sonderbeauftragter zur Irreführung der Friedensbewegung“ fungieren. Lange habe ich nicht mehr ein so geschlossenes und dichotomisches Weltbild erlebt wie bei vielen der heutigen Kontrahenten: Wo die Ursachen und Schuldigen für alle Widersprüche und Konflikte so monokausal eindeutig nur immer die einen sind, wo das Feindlager der Globalisierer ohne Unterschiede ist und von den USA über UN und EU bis zu Rot-Grün reicht, wo Militär unterschiedslos nur imperialistische Kriegsmaschine ist und UN-Friedenseinsätze nicht vorkommen, wo der antikapitalistische Widerstand der einzige Schlüssel der Befreiung ist. Wo alles ausschließlich um kapitalistische Konfliktursachen kreist, besteht zugleich keinerlei Interesse an der Eindämmung und Bearbeitung akuter Gewaltkonflikte und humanitärer Katastrophen. Zugleich muss ich feststellen, dass bei uns grünen Außenpolitikern bei aller richtigen Abwehr von Verschwörungstheorien inzwischen die Dimension geostrategischer Interessenpolitik zu wenig Beachtung findet. Ich fühle mich hinsichtlich der Denkweise stark in die 70er Jahre des antiimperialistischen Dogmatismus zurückversetzt. Im Unterschied zu vielen anderen Diskussionen in friedensbewegten Zusammenhängen der letzten Jahre ist hier – ausgenommen IPPNW und eine Minderheit der nur ca. 40 Teilnehmenden – auch ein Minimalkonsens nicht mehr spürbar. (vgl. www.bifa-muenchen.de; auf www.rootcauses.de das IPPNW-Projekt „Root Causes of Conflicts in the Age of the Total Market“)
20.8. (F+S 2005-09): Teilnahme an der Vesper des Weltjugendtages auf dem Marienfeld bei Köln, die viele Hunderttausende mit dem Papst zusammen feiern. Ich erlebe hier eine beispiellose friedliche Vielfalt. Die Glaubensintensitäten, die Einstellungen zum Papst, zur kirchlichen Hierarchie mögen sehr verschieden sein. Breitester Konsens ist der Wille zum gerechten Frieden.
29.8. Münsteraner Grüne Wahlkampfzeitung (90.000 Auflage) mit deutlicher personenbezogener Schwerpunktsetzung auf Friedens- und Sicherheitspolitik. Besonders informativ die Rubrik „Friede kommt nicht von alleine – FRIEDENSARBEIT KONKRET – Was verbirgt sich hinter ZIF, ZIVIK, ZFD, DSF und CIVPOL?“. In etwas mehr als zwei Wochen sind alle Zeitungen verteilt.
18.9. Wahlkampf-Rückblick: Bei den 16 Podiumsdiskussionen (davon acht in Schulen) mit den anderen Kandidaten Polenz (CDU), Strässer (SPD) (…) spielt Außen- und Sicher-heitspolitik kaum eine Rolle – wie auch in den Medien. In Sachen Irak schmiegt sich die Union inzwischen an die Position von Rot-Grün an und versucht die Spuren ihrer Kriegsbereitschaft von 2003 zu verwischen. Auf der anderen Seite erregt hier auch die Linkspartei/PDS trotz vollmundiger Angriffe von Lafontaine auf die „Kriegspolitik von Rot-Grün“ kaum Aufmerksamkeit. Offenbar widerspricht das zu deutlich der „selbstbewussten Friedenspolitik“, die Rot-Grün für sich in Anspruch nimmt und die von breiten Bevölkerungskreisen auch als rot-grüne Leistung gesehen wird. Insofern war Friedens- und Sicherheitspolitik trotz realer Widersprüche zwischen Koalition und Opposition weniger streitgeeignet und wurde deshalb auch kaum thematisiert. Heraus kam ein Wahlkampf der innenpolitischen Nabelschau auf Insel-Deutschland. Vertan wurde die Chance, angesichts der ganz aktuellen UN-Reform und Überprüfung der Millenniumsentwicklungsziele sowie der radikalsten Bundeswehrreform seit ihrer Gründung die Perspektiven deutscher Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik endlich mal breiter zu diskutieren. Auf einem anderen Blatt steht allerdings, welche Rolle Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Wahlentscheidung spielte.
Mit meinem Kopfplakat „Winni Nachtwei für gerechten Frieden“ wage ich eine politische Aussage jenseits der Primärthemen dieses Wahlkampfes. In Münster mit seiner starken katholischen Jugendbewegung erwartete ich noch am ehesten Zustimmung zu einer Aussage, die mein politisches Profil auf den Punkt bringt und dem Friedenswort der katholischen Bischöfe entlehnt ist. An meinem von einer Berliner Agentur sehr realistisch fotografierten „Kopf“ allerdings scheiden sich manche Geister. Dass dabei mehreren Beschauern Assoziationen zu Willy Brandt kommen, ist nicht das schlechteste. (…)
22.9. Teilnahme an der Verleihung der Manfred-Wörner-Medaille an Hans Koschnik durch Minister Struck im Verteidigungsministerium in Berlin: In seiner Dankesrede macht der ehemalige Bremer Regierende Bürgermeister, erfahrene Schlichter, EU-Administrator in Mostar deutlich, dass es bei deutschen Krisenengagements und Bundeswehreinsätzen eindeutig um Kriegs- und Gewaltverhütung geht. Er überzeugt und begeistert wieder durch seine ganze Art: bodenständig, erfahrungsreich, humorvoll, bescheiden, mit klarer Orientierung und deutlicher Sprache. Er ist der positive Gegentyp zum üblichen Politiker-Bild, er ist Vorbild. (Im „Kandidatencheck“ der Westfälischen Nachrichten an die Bundestagskandidaten hatte ich auf die Frage „Wessen politische Arbeit schätzen Sie, auch wenn die betreffende Person nicht Ihrer Partei angehört?“ Hans Koschnik genannt)
17.10. (F+S 2005-10). Vorstellung des Buches „Die Friedensmacher“, hrg. von Petra Gerster (ZDF) und Michael Gleich im Berliner GTZ-Haus. Das im Hanser-Verlag erschienene Buch samt CD-Rom bringt elf Reportagen über „FriedensmacherInnen“ in Israel/Palästina, Nordirland, Mazedonien, Kolumbien, Sri Lanka, USA, Japan, Mali, Südafrika, Philippinen, Brasilien. Sie sind eine Auswahl aus insgesamt 25 solcher Reportagen, die im Rahmen des von Michael Gleich initiierten und inspirierten Peace Counts project entstanden sind. Peace Counts wurde über drei Jahre maßgeblich vom Auswärtigen Amt über „zivik“ unterstützt. Das Buch ist ein bestens gelungener und anschaulicher Beweis dafür, dass auch Friedensberichterstattung attraktiv und spannend, sehr informativ und einfach schön sein kann. Wo Gewalt- und Kriegsberichterstattung in den Medien vorherrschen, wo in der Regel bad news als good news gelten, wo eben ein umstürzender Baum Krach macht, aber kein wachsender Wald, da ist Friedensberichterstattung von vorneherein viel schwieriger und ungleich schwerer zu „verkaufen“. Die begeistert-begeisternden ReporterInnen und Fotographen und Gestalter von Peace Counts, die heute im gastfreundlichen GTZ-Haus zusammen gekommen sind, haben einen medialen Durchbruch erzielt. Mit dabei zwei Münsteraner: der Hörfunkjournalist Heiner Wember, der ein Dutzend 30-Minuten-Beiträge „Frieden zählt“ für`s Radio produzierte, und ich, der ich von Anfang an von der Idee begeistert war und entscheidende Kontakte ins Auswärtige Amt vermittelte. „Die Friedensmacher“ ist d a s Geschenkbuch! (vgl. www.gtz.de , www.peacecounts.org) Der STERN bringt in seiner Ausgabe vom 27. Oktober Bilder und Kurzdarstellungen von neun Peace- Counts-Reportagen. Die Peace-Counts-Fotoausstellung wird am 29. Oktober auf dem Shanghai Arts Festival eröffnet.
23.10. Teilnahme an der Podiumsdiskussion zum preisgekrönten Dokumentarfilm „Lost Children“ über Kindersoldaten im Rahmen des Filmfestival Münster 2005 im Kino „Stadt New York“: Nach einer Experten-Umfrage gilt der seit 19 Jahren andauernde Krieg in Norduganda als der zweitschlimmste „vergessene“ Krieg nach dem Krieg im Kongo. (www.alertnet.org) Die sektiererische „Lord`s Resistance Army“ (LRA) soll ca. 20.000 Kinder entführt und zu Kindersoldaten gezwungen haben. Ca. 80% der wenigen tausend Kämpfer sind Kindersoldaten. Den Filmemachern Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz ermöglichen es den Zuschauern, ganz nahe dabei zu sein, wie die beiden ugandischen Sozialarbeiter Grace Arach und John Bosco die ehemaligen Kindersoldaten (8 bis 15 Jahre) und ihre Eltern und Großeltern erzählen lassen – über die Alpträume der Kinder, über ihre grässlichen Grausamkeiten, über die Abwehr von Eltern. Das von Kindergesichtern erzählte Grauen übertrifft jede Realdarstellung. Am gestrigen 22. Oktober fand in 33 Städten weltweit der „Gulu Walk“ statt. In der nordugandischen Provinzhauptstadt Gulu nahmen über 6.000 an der Solidaritätsaktion mit den „Nachtpendlern“ statt – den zig-tausenden Kindern, die aus Angst vor Entführung jeden Abend vom Land in die größeren Orte fliehen und dort die Nacht verbringen. Vom 26. Oktober bis 7. November wird der Film in Freiburg, Stuttgart, Augsburg, München, Berlin, Bremen, Dresden, Hamburg, Hannover, Köln, Bonn und Aachen gezeigt. Bei allen Vorführungen sind die Regisseure und die bewundernswerten Caritas-Sozialarbeiter Grace Arach und Jon Bosco dabei. Dringend zu empfehlen! Die Filmtour bietet die einmalige Gelegenheit, auch in Deutschland mehr Öffentlichkeit – und politischen Druck – gegen einen Krieg zu einem Zeitpunkt zu schaffen, wo die Chancen für eine Konfliktlösung günstiger sind. (Stationierung der UNMIS-Friedenstruppe im Südsudan; Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen fünf Anführer der LRA) (www.lost-children.de; www.caritas-international.de; Uganda Conflict Action Network www.ugandacan.org; www.irinnews.org)
7.11. (F+S 2004-11, Kladde XX): 2. Sitzung des Beirats „Zivile Krisenprävention“ im Auswärtigen Amt. Als Vorsitzende werden gewählt Angelika Spelten (Institut für Entwicklung + Frieden/ INEF und FriEnt) und Stefan Mair (SWP). Botschafter a.D. Wilhelm Höynck, 1993-1998 erster Generalsekretär der OSZE, erfahrungsstarker ZKP-Fürsprecher: Hauptproblem der Krisenprävention sei, dass es ein Nischenthema sei. (*1933, + 15. Mai 2025 in Bonn). Vgl. W.H., Zivile Krisenverhütung und Konfliktbearbeitung, in OST-WEST Europäische Perspektiven / OWEP 3/2005, https://www.owep.de/artikel/110-zivile-krisenverhuetung-und-konfliktbearbeitung
11.11. Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD: Im außenpolitischen Teil sind bei aller beschworenen Kontinuität Akzentverschiebungen unübersehbar: Das transatlantische Verhältnis rückt auf Kosten der VN-Orientierung nach vorne; die Aussagen zu Bundeswehr, Abrüstung und Rüstungsexportpolitik sowie ziviler Krisenprävention sind relativ vage. Dass der von uns 2002 angestoßene Aktionsplan Krisenprävention umgesetzt und der Ressortkreis gestärkt werden soll, ist ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Ansonsten bleibt der Vertrag hinter wichtigen Anforderungen zurück (Förderung von VN-Treue, -Fähigkeiten und –Engagement, von Kohärenz und ausgewogenen Fähigkeiten, Strategiebildung, breite außen- und sicherheitspolitische Debatte).
24.11. Teilnahme am Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung: Eine besondere Erfolgsgeschichte sind die Kleinprojekte, für die jährlich bisher 100.000 Euro zur Verfügung stehen. So wurde z.B. die dem Peace-Counts-Buch „Die Friedensmacher“ beiliegende CD-Rom von der DSF gefördert. 25.11. Gespräch mit dem DSF-Vorsitzenden Prof. Volker Rittberger und Geschäftsführer Thomas Held.
3.12. (F+S 2005-12): Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen im Haus Carstanjen auf dem VN-Campus in Bonn: Verabschiedung des VN-politischen Forderungskatalogs an Bundesregierung und Bundestag „Sicherung der Handlungsfähigkeit und Legitimation der Weltorganisation im 21. Jahrhundert“ (www.dgvn.de) ; ich werde erneut in den Vorstand gewählt. Vorsitzender wird wieder (Staats-) Minister a.D. Christoph Zöpel. Die DGVN hat zzt. 1214 Mitglieder. Zu ihrem Präsidium gehören Richard und Ernst Ulrich von Weizsäcker, die (Ex-)Außenminister Genscher, Kinkel, Fischer und Steinmeier, der ehemalige OSZE-Generalsekretär Wilhelm Höynck und andere beste Namen aus Wissenschaft und Politik.
17.12. Internationale Tagung „Fragile Staatlichkeit – Können Stabilität und Frieden von außen gefördert werden?“ in der Evangelischen Akademie Loccum in Kooperation mit der Abteilung DEZA des Eidgenössischen Departments für Auswärtige Angelegenheiten und der dt. GTZ. An den Beispielen Nepal, Kirgisien, Sudan, Kongo, Bosnien, Bolivien wird die Kategorie „fragile Staatlichkeit“ überprüft und konkretisiert. Prof. Andrew Mack/Vancouver stellt den Human Security Report 2005 mit der Kernthese vor, dass seit Ende des Kalten Krieges bewaffnete Konflikte wegen des gestiegenen Engagements der Staatengemeinschaft, insbesondere der VN, rückläufig seien. (www.humansecurityreport.info) Dan Smith, Generalsekretär von International Alert/London, geht von dem Ergebnis einer Studie zu Peacebuilding-Projekten 1997-2001 aus, wonach diese zu 55% „strategiefrei“ gewesen wären, und entwickelt sieben Schlussfolgerungen für wirksames Peacebuiling. (www.international-alert.org)
19.12. Versendung meiner Werbe-Mail für „Die Friedensmacher“: DAS Geschenkbuch für sich und andere! (www.nachtwei.de) über alle meine Verteiler. In der letzten Sitzungswoche bringe ich in drei Tagen 25 Exemplare der „Die Friedensmacher“ unter die FraktionskollegInnen.
[1] Handschriftliche persönliche Aufzeichnungen Kladde XV-XXIII, ab Februar 2002, und Persönliche Kurzmeldungen zur Friedens- und Sicherheitspolitik ab Juli 2003, veröffentlicht auf www.nachtwei.de