Mein Leserbrief „Stilles Massensterben in Afghanistan“ zu einer verantwortungsvolleren deutschen Afghanistanpolitik in der F.A.Z.

Viele Jahre war Afghanistan ein Schwerpunkt deutscher Sicherheits-, Entwicklungs- und Außenpolitik. Heute ist davon in Politik und Medien kaum noch was geblieben. Ein weiteres „Verdrängungsprojekt“?

Mein Leserbrief „Stilles Massensterben in Afghanistan“ zu einer verantwortungsvolleren deutschen Afghanistanpolitik in der F.A.Z.

Am 23. Juni 2025 erschien in der F.A.Z. mein Leserbrief zu „Wir dürfen Afghanistan nicht alleinlassen“, Gastbeitrag von Almut Wieland-Karimi und Carlo Masala. Der Leserbrief auch unter https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/briefe-an-die-herausgeber-vom-23-juni-2025-110551448.html

Der Gastbeitrag unter https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/wir-duerfen-afghanistan-nicht-alleinlassen-110500501.html , auch www.facebook.com/winfried.nachtwei

Mit ihrem Artikel „Wir dürfen Afghanistan nicht allein lassen“ (Fremde Federn, F.A.Z. vom 27. Mai) widersprechen Almut Wieland-Karimi und Carlo Masala dankenswerterweise dem vorherrschenden politischen Trend in Deutschland und machen konstruktive Vorschläge für eine realistische und verantwortliche Afghanistanpolitik.

Das Taliban-Regime praktiziert eine weltweit beispiellose Entrechtung von Mädchen und Frauen. Die diplomatische Nichtanerkennung dieses Regimes ist deshalb berechtigt. Zugleich ist aber inzwischen unübersehbar, dass eine Politik der totalen Isolation erfolglos ist und weder den Menschen in Afghanistan, vor allem nicht den Frauen, noch deutschen Interessen dient. Das belegen Wieland-Karimi und Masala nüchtern und umfassend: Wo die sich verschärfende humanitäre Katastrophe mit einem stillen Massensterben einhergeht, wo sich die Menschenrechtslage verschlechtert und Deutschland zugleich weitsichtige strategische Interessen an Afghanistan hat, darf sich deutsche Afghanistanpolitik nicht auf ausschließlich humanitäre Hilfe beschränken. Beispielhaft zeigt sich das an der gegenwärtigen Wasserkrise, wo das rasant wachsende Kabul auszutrocknen droht, wo Haushalte bis zu 30% ihres Einkommens für Wasser ausgeben, wo seit der Reduzierung internationaler Hilfe Infrastrukturprojekte ausgesetzt sind.

Von NGO`s und erfahrenen Afghanistanbesuchern wird immer wieder berichtet, mit welcher Beharrlichkeit und Kreativität gerade im Bildungsbereich offizielle Verbote unterlaufen werden, wie verbreitet in der Bevölkerung das Bedürfnis nach Schul- und Ausbildung für junge Frauen ist und dass mehrere Hundert von Frauen geführte NGO`s trotz aller Unsicherheiten weiterarbeiten. Die ideologisch harte Taliban-Führung in Kandahar dominiert ein Unrechtsregime, in dem Teile der Taliban pragmatischer und bildungsoffener ticken.

Angesichts dieser komplizierten Lage sollten deutsche Unterstützungschancen bestmöglich genutzt und nicht weiter reduziert werden. „Um dies realitätsnah und verantwortlich leisten zu können, sind Augen, Ohren und persönliche Kontakte vor Ort unabdingbar. Ein deutsches Verbindungsbüro in Kabul, ausdrücklich unterhalb einer diplomatischen Anerkennung, könnte eine wichtige Brücke zur afghanischen Wirklichkeit und ihren Menschen sein.“ So hatten es auch ich und andere Sachverständige der Enquetekommission in einem Sondervotum zu unserem Abschlussbericht formuliert.

WINFRIED NACHTWEI, EHEM. MDB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), MITGLIED IM BEIRAT ZIVILE KRISENPRÄVENTION DER BUNDESREGIERUNG, BEIRAT INNERE FÜHRUNG DES VERTEIDIGUNGSMINISTERS, MÜNSTER

Weitere Artikel zum Thema unter www.facebook.com/winfried.nachtwei und https://www.linkedin.com/in/winfried-winni-nachtwei-a764a34a/recent-activity/all/ .

Tenor: Für eine realitätsnahe, verantwortliche + wirkungsorientierte deutsche Afghanistanpolitik. So überlebensnotwendig humanitäre Hilfe ist, so falsch ist es, auf jede Art von Entwicklungszusammenarbeit zu verzichten. Um Handlungsmöglichkeiten zu Gunsten der Menschen, nicht des Taliban-Regimes, erkennen + wahrnehmen zu können, wäre ein Verbindungsbüro ein zentraler erster Schritt. Genauer hinsehen + nüchterne Wirkungsorientierung – daran mangelte es immer wieder in den 20 Jahren des AFG-Einsatzes – und danach. Das ist jetzt überfällig.

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