Stellenwert von Exit-Kriterien und Exit-Strategien bei Kriseneinsätzen

Oft werden bei Kriseneinsätzen Exit-Strategien gefordert, um Endlos-Einsätze zu vermeiden. Macht das Sinn, ist das illusionär oder gar kobtraproduktiv? Winfried Nachtwei[1] (April 2024)

Impulsvortrag bei der ersten Konsultation des Heidelberger Forums zur Friedensethik (FEST) am 06.12.2023 zum Oberthema „Die Beendigung militärischer Interventionen –  Wie können Exit-Strategien aussehen?“[2]

Vor 30 Jahren beurteilten mein friedensbewegtes und grünes Umfeld und ich die aufkommenden Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr überwiegend kritisch bis ablehnend. Wir sahen in ihnen eine „Militarisierung von Außenpolitik“. Nach Besuchen im bosnischen Nachkriegsgebiet und an Tatorten am Hang von Sarajevo im Herbst 1996 war diese Position nicht mehr zu halten. Unabweisbar wurde die Einsicht, dass es Situationen gibt, wo zum Schutz von Zivilbevölkerung vor Massengewalt der Einsatz von Militär notwendig, legitim und verantwortbar sein kann.

In der öffentlichen und parlamentarischen Diskussion um Auslandseinsätze der Bundeswehr wurde immer wieder eine Exit-Strategie gefordert. Damit sollten ein „Mission Creep“, eine schleichende Einsatzausweitung und Endloseinsätze zu verhindert werden. „Wer in ein Land reingeht, muss auch wissen, wie er wieder rauskommt“, hieß es insbesondere von Militärs des Öfteren und nicht zu Unrecht. (Gromes 2021)

2008 referierte ich vor für Operationsplanung zuständigen Generalen großer NATO-Staaten über „Exit-Strategien und Transition“. (Nachtwei 2008)Nach der Beteiligung an Dutzenden Mandatsentscheidungen für Auslandseinsätze sprach ich lieber von Exit-Perspektiven und -Kriterien als von Exit-Strategien. Exit-Strategien erschienen mir angesichts der Vielzahl beteiligter Länder und Akteure und enormer Unwägbarkeiten vor allem in den Anfangsjahren eines Einsatzes seriös kaum machbar und mit ihrer Grundbotschaft von befristeter Verlässlichkeit im Konfliktland ausgesprochen kontraproduktiv. Auffällig ist, dass es bis heute zum Thema Exit-Strategien nur relativ wenig Literatur gibt.

Ebene der Vereinten Nationen

Der Brahimi-Report von 2000 mit seiner Auswertung bisheriger UN-Friedenseinsätze wurde in der deutschen Sicherheitspolitik bemerkenswert wenig beachtet. Eine angemessene Beachtung dieses Berichts hätte einige politische Fehler ersparen können. Noch weniger Beachtung fand der Bericht von UN-Generalsekretär Kofi Annan „No Exit without Strategy“ (UN Security Council 2001). Diese Leitlinien für eine Exit-Strategie gingen von drei Szenarien aus:

– Erfüllung des Mandats bei zwischen- und innerstaatlichen Konflikten, Herstellung von nachhaltigem Frieden: Genannt werden zentrale Kriterien für erfolgreiches Peacebuilding.

– Versagen bei der Mandatserfüllung, Beispiel Ruanda 1994.

– Partieller Erfolg, wo Schlüsselfragen seien, wie nachhaltig das bisher Erreichte sei und wie ein Rückfall vermieden werden könnte.

Je nach Szenario seien die Konsequenzen Fortsetzung des Einsatzes, Mandatsänderung oder Abzug.

Die Capstone-Doktrin zur Planung und Evaluierung von Friedensmissionen (2008) nannte als zentrale Erfolgskriterien

– Fortschritte bei nationalen Dialog- und Versöhnungsprozessen,

– effektiver Schutz der Zivilbevölkerung,

– Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration

– Politischer und institutioneller Transformationsprozess

– Schutz der Menschenrechte, Rule of Law, Sicherheitssektorreform,

– Evaluation der Missionen durch eine regelmäßige Überprüfung von Benchmarks und eine strategische Überprüfung und Analyse vor Ort.

Inzwischen ist es gängige Praxis im UN-System, dass Missionen aufgefordert sind, Exitastrategien zu entwickeln, lange bevor eine Transition (Übergang vom Peacekeeping zum lokalen Peacebuilding) mandatiert wird. Seit 2019 sollen nach einer Planungsdirektive des UN-Generalsekretärs alle Missionen einen vorläufigen Transition-Kalender vorlegen.

Laut einer ZIF-Auswertung (2021) von 168 UN-Missionen (Peacekeeping und Political Missions seit 1989) und GSVP-Missionen (seit 2003) ging der Trend dahin, dass Mandate eher erneuert bzw. angepasst als beendet wurden und dass die durchschnittliche Missionsdauer von zwei Jahren in den 1990er Jahren auf fast acht Jahre in den 2010er Jahren stieg.

Insgesamt gilt aber, dass die Vereinten Nationen in der Regel in einem Konfliktland auch nach Abzug der UN-Mission in Gestalt von Sonderorganisationen und Programmen verbleiben. Die UN stellen immer wieder das letzte Netz.

In Vorbereitung des UN-Zukunftsgipfels im September 2024 stellte UN-Generalsekretär Guterres (2023) die „New Agenda for Peace“ vor. In der Maßnahme „Friedensmissionen und Partnerschaften stärken“ empfiehlt er, „Ausstiegsstrategien und Übergänge von Friedensmissionen frühzeitig, ganzheitlich und schrittweise zu planen, um den Personalabbau von Missionen erfolgreich durchzuführen und sicherzustellen, dass Erfolge gefestigt werden und da Risiko eines Rückfalls in den Konflikt oder einer Eskalation möglichst geringgehalten wird.“

Seit 1996 beobachtete deutsche Exit-Prozesse

NATO-Mission „Essential Harvest“ ff. in Mazedonien 2003: Der Einsatz war vor der Mandatsentscheidung des Bundestages im August 2001 heftig umstritten, endete aber schon 2003 erfolgreich. Kohärentes internationales Krisenmanagement, Vorrang politischer Konfliktlösung und die flankierende Entwaffnungsmission konnten einen drohenden Bürgerkrieg mit grenzüberschreitender Wirkung verhindern.

KFOR Kosovo ab 1999: Internationale „Kosovomüdigkeit“, ausbleibende politische Konfliktbearbeitung und starke KFOR-Reduzierung ermöglichten 2004 den Ausbruch der sog. Märzunruhen, die mit dem tagelangem Kontrollverlust von KFOR und massiver ethnische Gewalt einhergingen. Der KFOR-Umfang sank von anfänglich 48.000 auf rund 4.400 Anfang 2024. KFOR konnte den Wiederausbruch kriegerischer Gewalt verhindern und damit eine Grundstabilisierung erreichen. Andauernde Konfliktursachen machen die Fortsetzung des längsten NATO- und deutschen Einsatzes unumgänglich.

EUFOR DR Congo 2006: Die Mission zur Wahlabsicherung in der „dritten Reihe“ (nach den kongolesischen Sicherheitskräften und MONUC) verlief letztendlich erfolgreich. Für den deutschen Verteidigungsminister stand im Vordergrund, dass die Bundeswehrsoldaten rechtzeitig vor Weihnachten nach Hause kamen.

Anti-Terror-Operation Enduring Freedom ab 2001: Der Einsatz von bis zu 100 KSK-Soldaten bei OEF in Afghanistan lief im Herbst 2005 aus und wurde 2008 offiziell beendet. Er verlief ohne Kampfeinsätze und Verluste. Fragen zur Wirksamkeit der Anti-Terror-Operation wurden seitens der Bundesregierung nie beantwortet.

EU-Mission ALTHEA in Bosnien & Herzegowina: Die Beendigung des ersten großen deutschen Stabilisierungseinsatzes bei der – gemessen am Auftrag – erfolgreichen Bosnien-Mission geschah 2012 sang- und klanglos und ohne Wirkungsanalyse.

ISAF-Einsatz in Afghanistan 2002 bis 2014: Die von US-Präsident Obama 2010 gestartete Exitstrategie sah nach der großen Anstrengung von Surge (Truppenverstärkung) und Conterinsurgency-Offensive den für 2014 angekündigten ISAF-Abzug vor, gefolgt von einer reduzierten Beratungsmission (Resolute Support), die bis 2016 auslaufen sollte. Der Abzug der Kampftruppen von NATO und Deutschland erfolgte ohne eigene Friktionen und Verluste, ging aber mit einem Anstieg der Zivilopfer infolge des bewaffneten Konflikts um 20% einher. Diese erheblichen menschlichen Begleitschäden eines ISAF-Abzuges ohne Rücksicht auf die Übernahmefähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte wurde in der deutschen Politik nicht thematisiert. Der ISAF-Abzug steht beispielhaft für einen trotz vieler Vorwarnungen an Fristen (time-based), nicht Übergabefähigkeit (condition-based) orientierten, überstürzten Exit. Wegen der ständigen Verschlechterung der Sicherheitslage wurde Resolute Support 2016 verlängert und partiell wieder verstärkt.

Resolute Support Mission 2021: Seit dem letzten „Fortschrittsbericht Afghanistan“ der Bundesregierung vom Dezember 2014 wurde erst wieder Anfang 2018 ein Bericht zu Stand und Perspektiven des deutschen Afghanistan-Engagements (Bundesregierung 2018) vorgelegt. Dieser benannte vier strategische Ziele zu Reduzierung des Gewaltkonfliktes, legitimer Staatlichkeit, wirtschaftlicher und soziale Entwicklung und innerafghanischem Friedensprozess, verzichtete aber weiterhin auf eine systematische Bilanzierung, gar Wirksamkeitsanalyse. Nach dem von zwei US-Präsidenten bewirkten Beschluss zum bedingungslosen und beschleunigten Totalabzug gelang den internationalen Truppen ihr eigener Exit ohne Friktionen und zunächst ohne „Saigon-Bilder“. Da es ein Exit nur mit Rücksicht auf die eigenen Kräfte, aber ohne jede Rücksicht auf die bisherigen afghanischen Verbündeten und die Bevölkerung war, mündete der Abzug ganz und gar nicht überraschend in einem humanitären, sicherheitspolitischen und moralischen Desaster.

Ausbildungsmission Gazelle deutscher Spezialkräfte für ein nigrisches Spezialkräfte-Bataillon und die Spezialkräfte-Schule ab 2018: Diese wurde ausgehend von gemeinsam definierten, erfüllbaren, zeitlich befristeten und messbaren Zielen Ende 2022 nach Zielerreichung beendet. Nach dem Militärputsch wurde die EU-Mission EUCAP Sahel des Landes verwiesen.

UN-Mission MINUSMA in Mali ab 2013 bis Ende 2023: Die erste Beteiligung eines großen deutschen Heereskontingents an einer UN-geführten Mission endete unfreiwillig, nachdem die Militärjunta MINUSMA zunächst schikaniert und die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen schließlich aufgekündigt hatte. Der Exit gelang ohne eigene Friktionen. Die Sicherheitslage verschlechterte sich weiter.

Evakuierungsmissionen der Bundeswehr zur Rettung deutscher und europäischer Staatsbürger aus besonderen Gefahrenlagen erreichten alle ihren beabsichtigten Exit:

1997 Operation Libelle in Albanien mit 98 Evakuierten aus 22 Nationen (89 Einsatzkräfte)

2011 Pegasus in Libyen mit 262 Evakuierten, davon 125 Deutsche (rd. 1.000 Einsatzkräfte)

2021 Kabul 5.347 Evakuierte aus 45 Nationen (600 Einsatzkräfte)

2023 Sudan mit 780 Evakuierten aus 40 Nationen (rund 1.000 Einsatzkräfte).

Zusammengefasst: Der Totalabzug eigener größerer Kontingente unter Zeitdruck und Sicherheitsrisiken gilt als besonders komplexe und fordernde Operation. Bei den deutschen Auslandseinsätzen gelang der Exit der eigenen Kräfte durchweg ohne Friktionen, gar Verluste. Im Hinblick auf die Mandatserfüllung (Primärziel sicheres Umfeld) und die Folgen für das Gastland waren die Ergebnisse gemischt: Bei den Balkaneinsätzen konnte erfolgreich zur Grundstabilisierung beigetragen werden. Beim Afghanistaneinsatz wurde kein sicheres, sondern ein extrem unsicheres Umfeld hinterlassen. Der politisch verantwortete überstürzte Abzug, insbesondere der Entzug der für die afghanischen Sicherheitskräfte überlebensnot-wendigen US-Unterstützungen, ermöglichten die Machtübernahme der Taliban und das strategische Scheitern des größten, kostspieligsten und opferreichsten Einsatzes der NATO und Deutschlands. Der Einsatz in Mali konnte letztendlich nicht zur Verbesserung der Sicherheitslage beitragen. Angesichts der Aufkündigung der Kooperation durch die Militärjunta hinterließ MINUSMA ein sich verschlechterndes Sicherheitsumfeld.

Operations Design der NATO

Nach Aussage eines Mitglieds der Enquete-Kommission des Bundestages zu Afghanistan und ehemaligen Befehlshabers des Allied Joint Force Command der NATO, der Vorgesetzter von fünf ISAF-Befehlshabern war, ging es in der NATO nie um eine explizite Exit-Strategie. Eine solche wäre in Afghanistan als angekündigte Unzuverlässigkeit wahrgenommen worden und insbesondere am Anfang psychologisch völlig kontraproduktiv gewesen. Systematisch thematisiert wurden aber Exit-Voraussetzungen.

Auf der strategischen Ebene betont die vom NATO-Militärausschuss (2019) gebilligte Doktrin für die Planung von Operationen (AJP-5) den zentralen Stellenwert und Anforderungen der Kategorien End State (Situation, die zum Ende einer Mission erreicht werden soll), Transition und Termination im Operations Design der NATO:

„3.7. The end state is the North Atlantic Council (NAC) statement of conditions that defines an acceptable concluding situation for NATO’s involvement. Therefore, the NAC, the Military Committee (MC) and the Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) as the strategic commander will necessarily describe the end state and the strategic objectives to enable planning at the operational level. Articulating the end state should happen well before military forces are committed. Moreover, the ability to plan and conduct operations for conflict termination depends on a clear understanding of the end state. It describes conditions for a favourable, self-regulating situation within the operating environment that satisfies the overall political objective. The end state must be comprehensible, feasible, and attainable because it defines the ultimate criteria for the cessation of Alliance activities in a crisis region.

It is often linked to the provisions of an international mandate or agreement providing legal authority for resolving the crisis.

3.8. Transition and termination are key considerations in the operations design. In most cases they will include the achievement of acceptable conditions as well as the mutual acceptance of terms and conditions to ensure a lasting settlement. It will require political action, especially when a military force has been employed, and will require a comprehensive approach to involve diplomatic, economic and informational instruments of power. The process may continue well beyond the cessation of hostilities and encompasses stabilization and reconstruction activities. Termination and transition provide an essential link between Alliance operations and post-conflict activities. The commander and the staff must clearly understand the termination criteria for the operation. Appropriate and well-conceived termination criteria are the key to ensuring that successful operations result in conditions favourable to the Alliance. Commanders must continually re-evaluate the operational conditions to determine if the original end state and termination criteria are still valid and attainable.“

Die „Comprehensive Operations Planning Directive“ (COPD) des NATO Allied Command Operations (NATO 2013) behandelt im Kapitel „Bewertung von Operationen“ Wirksamkeitsmaßstäbe (Measures of Effectivness). Diese sollen die Frage beantworten, ob man auf dem richtigen Weg sei, den intendierten Systemzustand im geplanten Zeitrahmen zu erreichen. Die Wirksamkeitsmessungen müssen wiederholt erfolgen, um mit dem Trend den (mangelnden) Fortschritt einer Operation zu erkennen. Diese Wirksamkeitsmessung war beim NATO-Einsatz in Afghanistan vorgeschrieben und erfolgte halbjährlich entlang dem Operationsplan auf taktischer, operativer und strategischer Ebene nach dem Ampelprinzip. Nach Einschätzung des o.g. hochrangigen Insiders, der sieben solcher Bewertungsdurchgänge erlebt hatte, sei die Wirksamkeitsmessung nicht konfliktfrei, aber relativ ehrlich gelaufen.

Wenn alle „Ampeln“ auf Grün zeigen würden, beginnt laut Direktive die Phase 6 („Transition“ und „Termination“) einer Operation mit der Abzugsplanung.

Von einsatzerfahrenen hohen Offizieren heißt es, ein knallhartes militärisches Assessment werden wohl in der NATO durchgeführt, schaffe es aber nicht auf die politische Entscheidungsebene. Ein faktenbasiertes Assessment werde von der Politik verweigert. In Deutschland geschah das auch für den deutschen militärischen wie zivilen Einsatzanteil in Afghanistan.

Zumindest im ersten Jahrzehnt des Afghanistaneinsatzes hatten Fachpolitiker:innen des Deutschen Bundestages keinerlei Einblick in die laufende Wirksamkeitsbewertung der NATO.

Fazit

Exit-Strategien in den Anfängen eines Kriseneinsatzes sind kontraproduktiv, weil sie in einer Phase, wo zwischen Stabilisierungskräften und zentralen Stakeholders und Bevölkerung des Gastlandes Vertrauen und Kooperation wachsen sollen, eine Botschaft der Nichtverlässlich-keit senden. Unglaubwürdige Kriseneinsätze und Friedensmissionen haben von Anfang an verloren. Exit-Strategien sind zudem wenig realistisch, weil die Entwicklungen von Einsätzen und Einsatzländern von so vielen Faktoren abhängen und dynamisch sind, dass es klare Wegbeschreibungen „raus“ kaum geben kann.

Das Beispiel Afghanistan zeigt, dass große Exit-Strategien wie von ISAF 2014 und der gesamten NATO 2021 wohl den Abzug der eigenen Kräfte leisten können, für das Konfliktland, seine Bevölkerung und bisherige Verbündete aber verheerend enden, wenn sie auf der Basis von Fristen und nicht Übernahmefähigkeit geschehen (time- statt condition-based).

Der realen Falle eines Endlos-Einsatzes kann nur wirksam begegnet werden, wenn politische und militärische Führung sich, das Parlament und die Öffentlichkeit rückhaltlos ehrlich machen und realistische, möglichst operationalisierte, überprüfbare und kohärente Ziele definieren und das Maß der Zielerreichung regelmäßig intern wie unabhängig überprüfen. Da es bei Kriseneinsätzen keine Erfolgsgarantie gibt und Konfliktursachen von externen Akteuren nur begrenzt beeinflusst und kaum gelöst werden können, ist es ein Gebot von realistischer Ehrlichkeit und Erwartungsmanagement, immer auch ein Scheitern mitzudenken. Damit könnten organisationsinterne Zwänge zu einem schönrednerischen Berichtswesen reduziert werden.

Kriseneinsätze, die nachhaltig zu Stabilisierung beitragen und Friedensförderung ermöglichen sollen, brauchen nach aller Erfahrung strategische Geduld. Damit dieser richtige Hinweis nicht wie im zweiten Jahrzehnt des Afghanistaneinsatzes zu einem Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag wird, ist es dringend erforderlich Exit-Kriterien zu entwickeln, die Wegmarken für eine konditionierte militärische Abzugsperspektive bzw. eine Reduzierung des zivilen Engagements sind und zugleich einen katastrophalen Rückfall des Konfliktlandes vermeiden. Am notwendigsten und ehesten realisierbar sind solche Exit-Kriterien wohl auf dem Feld der Bürgersicherheit und eines hinreichend rechtsstaatlichen Gewaltmonopols.

Ein Knackpunkt bei alledem bleibt, wieweit auf der politisch-strategischen Führungsebene der Bundesregierung, der Verbündeten und der Staatengemeinschaft bei internationalen Krisenengagements Strategiefähigkeit und Wirkungsorientierung die Oberhand gewinnen.

Daran mangelte es in der Vergangenheit notorisch.

Literaturverzeichnis

NATO, Allied Command Operations. 2013. Comprehensive Operations Planning Directive COPD.  file:///C:/Users/Anwender/Downloads/COPD_v2_4.pdf   (Zugriff 05. April 2024)

NATO, Military Committee. 2019. Allied Joint Doctrine for the Planning of Operations (AJP-5).  https://assets.publishing.service.gov.uk/media/6054d017e90e0724be025a8f/20210310-AJP_5_with_UK_elem_final_web.pdf . (Zugriff 05. April 2024)

Bundesregierung. 2018. Bericht der Bundesregierung zu Stand und Perspektiven des deutschen Afghanistan-Engagements. https://www.auswaertiges-amt.de/blob/1787152/c23bcd183458dd556bb159b0c97bce20/180315-perspektivbericht-data.pdf . (Zugriff 05. April 2024)

Gromes, Thorsten. 2021. Ausweglose Exit-Strategien: Beginn, Fortdauer und Ende von Auslandseinätzen.  https://blog.prif.org/2021/11/11/ausweglose-exit-strategien-beginn-fortdauer-und-ende-von-auslandseinsaetzen/  (Zugriff 05. April 2024)

Nachtwei, Winfried. 2008. Exit Strategy and Transition. Dresden. http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&ptid=1&catid=2-11-120-134&aid=730

UN-Generalsekretär Guterres 2023. Unsere gemeinsame Agenda: Kurzdossier 9: Neue Agenda für den Frieden.  https://www.un.org/depts/german/gs/a77-crp1-add8.pdf (Zugriff 05.04.2024)

UN, Security Council. 2001. Security Council decision-making and the closure or transition of United Nations peacekeeping operations, Report of the Secretary-General, S/2001/394. https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/PKO%20S%202001%20394.pdf (Zugriff 05. April 2024)

ZIF, Dashboard. 2021. Exit und Transition von Friedenseinsätzen. https://www.zif-berlin.org/news/zif-dashboard-exit-und-transition-von-friedenseinsaetzen

[1] Sachverständiger in der Enquete-Kommission des Bundestages zu Afghanistan, Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention der Bundesregierung, im Beirat Innere Führung des Verteidigungsministers, MdB 1994-2009

[2] Ggb. dem gesprochenen Wort erweiterte Fassung. Weitere Referenten Prof. Dr. Conrad Schetter, Oberstleutnant Matthias Soest (BMVg), Dr. Werner Distler, Dr. Matthias Dembinski, moderiert von PD Dr. Ines-Jacqueline Werkner, Leiterin des Arbeitsbereichs Frieden an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST).

 

 

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