Nie wieder? Nie mehr wehrlos, nie mehr allein!? Anmerkungen anlässlich des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – ein Blick in die Geschichte des Landes.
Der deutsche Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion – Die Münsteraner 16. Panzerdivision auf dem Boden der Ukraine 1941/42 :
( http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1187 )
Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion mit 3.050.000 deutschen Soldaten, 3.350 Panzern – der größten Angriffsstreitmacht der Geschichte.
Die 16. Panzerdivision aus Münster in Westfalen gehörte zur Heeresgruppe Süd.
Am 24. Juni 1941 überschritt die 16. Pz.Div. (III. Pz.Korps) die sowjetische Grenze bei Sokal-Krystinopol am Bug. Stationen:
Uman-Kessel August 1941: 15 sowjetische Divisionen vernichtet, 100.000 Gefangene.
Am 16./17. August 1941 eroberte die 16. Pz.Div. Nikolajew am Schwarzen Meer. Wegbereiter: Unmittelbar nach den Frontruppen erreichte am 17. August das Sonder-kommando 11a von Sicherheitspolizei und SD Nikolajew. Bis zum 31. August wurden ca. 5.000 der ungefähr 20.000 jüdischen Einwohner Nikolajews ermordet.
Kesselschlacht bei Kiew im September 1941: „Das XI. Korps trieb die Russen von Südwesten her der 16. Pz.Div. vor die Rohre. (…) Die Kompanien umgingen keine Ortschaften mehr; sie säuberten Dorf für Dorf.“ Nach der Schließung des Kessels am 24. 9.: „Insgesamt wurden 51 russische Divisionen vernichtet, 665.000 Gefangene eingebracht.“ (Werthen 1958, S. 65 ff.)
Schlacht am Asowschen Meer September/Oktober 1941: 100.000 Gefangene.
Schlacht um Rostow am Don im November 1941.
Sowjetische Kriegsgefangene: „Bis zum Februar 1942 waren von den etwa 3,3 Millionen sowjetische Soldaten, die bis dahin in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren, rund zwei Millionen gestorben – verhungert, erfroren, von Seuchen hingerafft und erschossen.“ Reinhard Rürup (Hrsg.): Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941-1945, Berlin 1991, S. 108) Von den insgesamt 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg starben bis 1945 über drei Millionen.
Wegbereiter des „Holocaust durch Kugeln“: Direkt hinter den Fronttruppen der Wehrmacht rückten die Einsatzgruppen von Sicherheitspolizei und SD vor, die EG C in der nördlichen und mittleren Ukraine, die EG D in der südlichen Ukraine und Krim. Das Hauptquartier der 6. Armee arbeitete „beinahe auf dem gesamten Vormarsch von der Westgrenze der Ukraine bis nach Stalingrad mit dem SS-Sonderkommando 4a zusammen, das im Rücken dieser Verbände sein Unwesen trieb. Und die Stabsoffiziere waren sich der Aktivitäten dieser SS-Einheiten nicht nur sehr wohl bewusst, sondern sie stellten auch Einheiten zur Verfügung, die dabei halfen, Juden in Kiew zusammenzutreiben und sie in die Todesschlucht von Babij Yar zu transportieren.“ Bei diesem größten Massaker in der besetzten Sowjetunion am 29./30. September 1941 wurden mehr als 33.000 Menschen ermordet. (…) Die Propagandakompanie 637 der 6. Armee „druckte die Plakate für einen Sammlungsaufruf an die Juden von Kiew. (..) Das Pionierbataillon 113 sprengte nach dem Massaker die Wände der Schlucht, um die Leichen zu begraben.“ (Jens Wehner/MHM-Katalog S. 18) (…)
Die Wehrmacht besetzte am 24. Oktober Charkow (Charkiw), die zweitgrößte Stadt ees Landes. Auf Befehl von Generalleutnant Alfred von Puttkamer wurde an 14. Dezember ein Judenghetto eingerichtet, aus dem täglich 250-300 jüdische Gefangene in die Schlucht von Drobyzkyi Jar gebracht und dort vom SK 4a unter Paul Blobel erschossen wurden. Insgesamt sollen in der Schlucht 16.000 Menschen ermordet worden sein. Schon die Ereignismeldung UdSSR Nr. 132 vom 12.11.1941 meldete, das SK 4a habe bisher 55.432 Exekutionen durchgeführt.
In Mariupol am Asowschen Meer meldete die Ortskommandantur der Wehrmacht am 24. Oktober 1941, dass 8.000 Juden durch den SD exekutiert worden seien. (durch das SK 10a im Vorort Agrobaza in einem Panzergraben
Charkow-Kessel im Mai 1942: allein 31.500 Gefangene durch die 16. Pz.Div., eigene Verluste 700 Mann, insgesamt 240.000 Gefangene. Die 16. Pz.Div. gehört jetzt mit dem XIV. Panzerkorps zur 6. Armee. (Die erste Schlacht um Charkow zwischen der 6. Armee und der Roten Armee fand im Oktober 1941 statt, die dritte im Frühjahr 1943. Im August 1943 wurde die Stadt endgültig befreit.)
Die 16. Pz.Div. galt als „Speerspitze der 6. Armee“. Sie erreichte als erste am 23. August 1942 die Wolga nördlich Stalingrad. Schon Mitte November lagen die Leichen von über 4.000 ihrer Männer auf dem Divisionsfriedhof an der Bahnstrecke Nord-Stalingrad – Frolow. Nur 128 ihrer Soldaten kehrten nach Jahren der Gefangenschaft wieder in die Heimat zurück.
- Insgesamt fielen in der Ukraine mindestens acht Millionen Menschen dem deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieg zum Ofer, darunter über fünf Millionen Zivilisten, 1,6 Millionen jüdische Menschen – ein Viertel der Bevölkerung.
Gegenoffensive der Roten Armee
Befreiung von Kiew – Beteiligung der 1. Ukrainischen Front an der Schlacht am Dnepr August bis Dezember 1943 (insgesamt 280.000 sowjetische Gefallene)
Schlacht um Berlin: Finale Offensive der Roten Armee (16.04.-02.05.1945) zur Einnahme der Hauptstadt Nazideutschlands durch die 1. Weißrussische Front (von Norden und Osten) und die 1. Ukrainische Front (von Süden und Südwest) mit knapp 2 Millionen Soldaten und 5.000 Panzern. 78.300 gefallene sowjetische Soldaten, 274.000 Verwundete.
- An anderen Frontabschnitten waren die 2., 3. und 4. Ukrainische Front eingesetzt.
Soldaten aus der Ukraine und anderen Teilen der Sowjetunion trugen wesentlich und unter höchsten Opfern zur Befreiung Europas und Deutschlands vom Naziterror bei.
Charkiw (Charkow) HEUTE: „Was auf dem Spiel steht – Charkiw steht unter Beschuss. Kaum ein Ort in der Ukraine symbolisierte so sehr das Ineinander, Miteinander und Gegeneinander europäischer Geschichte. Eine Erinnerung“ von Cathrin Kahlweit, SZ 01.03.2022 ( http://www.kharkovinfo.com/kharkiv-city-tour-explorer.html )
Die mit eineinhalb Millionen Einwohner zweitgrößte Stadt der Ukraine liegt 40 km südlich der russischen Grenze. Gegründet 1630 als Festung gegen die Krimtataren war Charkiw „gegen Ende des Ersten Weltkrieges Teil der kurzlebigen Ukrainischen Volksrepublik und bis 1934 Hauptstadt der Ukrainischen Sowjetrepublik. (…) Im Holodomor, der großen Hungersnot während der stalinistischen Zwangskollektivierung verhungerten allein hier innerhalb weniger Monate mehr als 45.000 Menschen. In den Gefängnissen des NKWD, der sowjetischen Geheimpolizei, starben Tausende.“
Charkiw wurde Industriezentrum und Technologieschmiede der UdSSR. „Hier ging der legendäre Panzer T-34 der Roten Armee vom Band.“ Bei drei Schlachten um Charkiw im „Großen Vaterländischen Krieg“ kamen während der deutschen Besatzung fast 300.000 Menschen ums Leben.
Mit Beginn des Krieges in der Ostukraine im Frühjahr 2014 „gab es ein wochenlanges Ringen, proeuropäische Aktivisten marschierten gegen prorussische Kräfte, es gab Straßenschlachten, Terroranschläge, Tote. (…) Die Zivilgesellschaft machte mobil, sammelte Spenden für die ukrainische Armee, fuhr Hilfsgüter in die umkämpften Gebiete. (…) Charkiw war Frontstadt und weigerte sich doch, Frontstadt zu werden.“
Vor dem russischen Angriff gab es in der Stadt ein Dutzend Theater und mehrere Opern, über 40 Universitäten und Hochschulen. Eine blühende Kunstszene. (…)“
„Die vierte Schlacht – Charkiw im Nordosten der Ukraine steht unter Beschuss. Erinnerungen an vergangene Kriege prägen die Millionenmetropole – und die vielen Studierenden aus aller Welt, die jetzt wie die alteingesessenen Bewohner um ihr Leben bangen müssen“ von Thomas Gerlach, taz 07.03.2022, https://taz.de/Millionen-Metropole-Charkiw/!5839527/ (mit Link zum Raketenangriff auf den sechsgeschossigen Sitz des Stadt- und Gebietsparlaments am Freiheitsplatz von Charkiw am 1. März um 8.01 Uhr. In der Zarenzeit war es das Gebäude des Semstwo, der Standesvertretung des Gouvernements Charkiw. Nach dem Umbau ab 1932 sollte das Haus Sitz des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Ukraine werden.)
„Holocaust-Mahnmal bei Charkiw von russischer Artillerie beschossen und beschädigt“, Julian Röpcke/VILD auf /Twitter, 26.03.2022:
Tagesschau 02.03.2022: „Präsident Selenskyj hat den Angriff auf den Kiewer Fernsehturm in der Nähe der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar scharf verurteilt: Putin wolle die Ukraine und ihre Geschichte auslöschen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, die Ukraine, ihre Geschichte und ihr Volk auslöschen zu wollen. Selenskyj äußerte sich wie schon zuvor im Konflikt in einer Videobotschaft – einen Tag nach dem Angriff auf Kiew und die dortige Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar. Dabei waren mutmaßlich zwei Raketen beim Fernsehturm in der Hauptstadt in unmittelbarer Nähe zu Babyn Jar eingeschlagen. Fünf Menschen wurden ukrainischen Angaben zufolge getötet und mehrere verletzt.
In Babyn Jar verübten im Zweiten Weltkrieg deutsche Besatzungstruppen und ihre ukrainischen Hilfstruppen ein Massaker an Zehntausenden Juden. „Dieser Angriff zeigt, dass für viele Menschen in Russland unser Kiew absolut fremd ist“, sagte Selenskyj. „Sie wissen gar nichts über Kiew, über unsere Geschichte. Aber sie alle haben den Befehl, unsere Geschichte, unser Land, uns alle auszulöschen.“
TAZ 03.03.2022 „Ganze Viertel werden zerstört. Russlands Angriffe auf ukrainische Städte werden immer brutaler. Bomben fallen auf Charkiw und Kiew, in Mariupol sind Hunderttausende eingekesselt“ von Dominic Johnson, https://taz.de/Krieg-in-der-Ukraine/!5838917/
„(…) Mariupol war am Dienstag nach russischen Angaben gefallen, nach ukrainischen Angaben vollständig von russischen Truppen eingekesselt worden. Am Mittwoch waren in der 500.000 Menschen zählenden Stadt heftige Straßenkämpfe im Gange sowie schwerer Artilleriebeschuss. Strom und fließendes Wasser gab es nicht mehr.
Mariupols Vizebürgermeister Sergiy Orlov sagte dem britischen BBC-Rundfunk am Telefon, ein Stadtteil mit 130.000 Einwohnern sei in fast 15 Stunden pausenloser Artillerieangriffe „fast total zerstört“ worden: „Wir glauben, dass mindestens Hunderte von Menschen tot sind. Wir können nicht hinein, um die Leichen zu bergen. Die russische Armee setzt alle ihre Waffen ein: Artillerie, Mehrfachraketenwerfersysteme, Flugzeuge, Raketen. Sie versuchen, die Stadt zu zerstören.“ (…)
Die Millionenstadt Charkiw stand am Mittwoch weiter unter schwerem Beschuss. Streumunition kam in der Nacht zum Einsatz, ganze Straßenzüge wurden zerstört, ebenso Teile der Universität. Ein Arzt wurde zitiert: „Wir leben in der Hölle. Die Russen zerstören alles: Wohnviertel, Kindergärten, Krankenhäuser, sogar eine Bluttransfusionsstation. Ohne die Unterstützung der ganzen Welt werden wir die Invasion nicht überstehen.“